Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
gestern um eine freie Woche gebeten, und sie meint, im Oktober wäre es möglich. Was hältst du davon?«
»Oktober?«, rief Marco. »Das ist doch noch Monate hin – sieben, um es genau zu sagen. Und vorher hast du keine Freizeit mehr? Komm schon, Amber, du bist ein Megastar, du kannst doch machen, was du willst.«
Unmöglich, ihm zu sagen, dass das nicht einmal ansatzweise stimmte, da ihre Mutter alles bis ins kleinste Detail plante, und dass sogar diese eine Woche im Oktober ein harter Kampf gewesen war. Amber schüttelte den Kopf. »Ja, ich weiß, was du meinst … aber die Woche bekommen wir, versprochen.« Sie lächelte. »Ich drehe durch, wenn ich keinen Urlaub mache. Aber vergiss das jetzt mal einen Moment. Erzähl mir lieber, wie deine Verabredung mit dem russischen Tänzer gelaufen ist.«
Marco legte ihr einen Arm um die Taille und blickte lächelnd auf ihr herzförmiges Gesicht herab, das von üppigen, bernsteinfarbenen Haaren eingerahmt war. Er liebte Amber, sie war wie eine kleine Schwester für ihn. Sie war ernsthaft, aber gleichzeitig lustig und süß und zu gut für diese Welt. Manchmal machte er sich Sorgen um sie. Er konnte nur hoffen, dass dieses Geschäft sie nicht verdarb. »Ich möchte dich nicht schockieren, meine Liebe, aber wenn du darauf bestehst …«
Im angrenzenden Zimmer der ausgedehnten Hotelsuite saß Margaret Stone an ihrem Schreibtisch und zog die Stirn in Falten. Von nebenan hörte sie Gelächter und entsetzte Aufschreie, mit denen ihre Tochter offenbar etwas kommentierte, was Marco erzählte. Margaret hatte nichts gegen Marco, aber ihrer Meinung nach war er manchmal zu locker und lässig. Es war ja schön, dass Amber sich gut mit ihrem Choreographen verstand – wenn sie denn auch wirklich arbeiteten und nicht herumalberten.
Margaret schlug den schweren Schreibtischkalender auf, den sie immer mit sich herumschleppte, und beugte sich über Ambers Termine. Tage wie dieser waren aus irgendeinem Grund schwer zu ertragen. Der Frühling war da, die Sonne schien, man sah die Menschen lächeln, und die Fröhlichkeit drang bis zu ihr herauf. Sie streckte sich und ließ den Blick über den Park schweifen.
Nach der Beerdigung war sie nicht mehr ins Bay Tree House zurückgekehrt. Kein einziges Mal. Sie hatte es verkauft und war in ein kleineres Haus in Weybridge gezogen. Aber sie hielt sich niemals dort auf. Ambers Karriere war im vollen Gang, und sie musste bei ihrer Tochter sein, nicht nur als ihre Managerin, nun, da George tot war, sondern auch, um auf sie aufzupassen. Amber brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte, und wenn Margaret ehrlich zu sich war, dann brauchte auch sie jemanden, um den sie sich kümmern konnte. Brauchte die Ablenkung, ein Ziel.
Denn George fehlte ihr. Sie hätte nie gedacht, dass es so sein würde. Sie gab eine gute Witwe ab – es stand ihr. Nach der Taubheit, die sie nach seinem Tod überfallen hatte, nach den vielen Entdeckungen, nach all der Sorge über Chelsea, die sehr krank gewesen war, nach den Bemühungen, den geschäftlichen Ruin abzuwenden … Margaret hatte keine Zeit gehabt, um nachzudenken. Und nachdem endlich alles vorbei war, das Haus ausgeräumt und verkauft, Chelsea aus dem Krankenhaus entlassen worden war und sie Derek gesagt hatte, er solle sie ein für alle Mal in Ruhe lassen, ertappte Margaret sich manchmal dabei, wie sie – wie jetzt – von ihrem Schreibtisch aufblickte und feststellte, dass sie ihren Mann vermisste. George mit den freundlichen Augen, dem sanften Humor, dem untrüglichen Geschäftsinn, George, der seine Töchter hingebungsvoll liebte … Sie hatte ihn nie wirklich kennengelernt, und nun hatte sie auch keine Chance mehr dazu.
Das Gelächter nebenan wurde lauter und riss Margaret aus ihrer Träumerei. Sie runzelte die Stirn, widerstand jedoch dem Drang, aufzustehen und hinüberzugehen. Ihr Stift schwebte über der Woche im Oktober, um die Amber sie gebeten hatte. Tatsache war, dass Amber ihren Urlaub nicht bekommen würde – nicht dieses Jahr, nicht nächstes, aber Margaret hatte nicht das Herz, es ihr im Augenblick zu sagen.
Denn mochte Amber es vielleicht auch nicht wollen, nach der Tournee standen noch weitaus größere Projekte an. Projekte, die aus ihr einen Star für jede Altersklasse machen sollten, nicht nur ein Popstarlet, das schneller wieder in der Versenkung verschwand, als man sich seinen Namen merken konnte. Sie würde das Gesicht einer wichtigen Make-up-Marke werden und die Muse für
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