Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
arbeite …«
»Okay, wie auch immer«, sagte Chelsea. Ihr war’s egal, sie wollte nur das Gespräch mit dieser Sekretärin, oder was auch immer diese Ziege war, beenden. »Danke jedenfalls. Ich melde mich.«
Sie beendete das Gespräch, legte sich auf ihr karamellfarbenes Seidenlaken zurück und spürte ihr glänzendes schwarzes Haar wie ein weiches Kissen unter sich. Sie lächelte zur Decke hinauf.
»Sieh dich vor, kleine Schwester«, sagte sie. »Ich komme nach Hollywood.«
Sie träumte noch immer von dem toten Mädchen, aber es gelang ihr immer besser, es aus ihrem Bewusstsein zu verbannen und zu den Bildern in ihrem Kopf hinzuzufügen, die sie gerne vergessen wollte, aber nicht konnte.
Als Tristan sie damals angerufen hatte, um ihr zu sagen, dass sie die Rolle bekommen würde, hatte sie sich etwas geschworen. In dieser Nacht war Maya gestorben, und sie hatte die Sache vertuscht. Nun musste sie dabeibleiben und nach vorn schauen.
Und Verdrängung funktionierte auf viele Arten: Diesmal wählte sie keine Drogen- und Alkoholexzesse, diesmal flüchtete sie sich in harte Arbeit.
Die Jahre nach Fortunes waren wunderbar. Sie stürzte sich mit solch einer Energie wieder in die Schauspielerei, dass es sie selbst erstaunte. Sie war zwar daran gewöhnt, aus dem Bauch heraus zu spielen, lernte aber nun, wie man sein Können verfeinerte, wie man Stimme und Körper einsetzte, wie man sich bis zur Unkenntlichkeit verändern konnte. Sie spielte in prestigeträchtigen Fernsehfilmen mit und übernahm eine kleine Rolle in einem Independent-Streifen. Sie arbeitete gegen ihren Typ an, spielte brave Mädchen, alte Frauen, sogar einen jungen Mann in einer rein weiblichen Inszenierung des Stückes Wie es euch gefällt im Shakespeare’s Globe. Und die Kritiker gerieten ins Schwärmen. Immer.
Jetzt konnte sie ihr Potenzial ausschöpfen und voll nutzen. Jetzt konnte sie alles und jeden spielen.
Und eigentlich hätte es reichen können.
Aber jemand wie Chelsea war nie zufrieden. Sie wollte stets mehr: mehr Ruhm, mehr Bewunderung, mehr Arbeit, mehr Geld. In England war sie heiß begehrt, aber außerhalb des Landes kannte sie niemand – oder höchstens als Ambers übergewichtige, ältere Schwester.
Und nun, da sie den Erfolg hatte, den sie sich erkämpfte, wollte sie mehr.
Vielleicht hätte sie es nicht auf die Spitze getrieben, wenn das Timing nicht so perfekt gewesen wäre. Aber eine Verkettung von Ereignissen setzte sie unter Zugzwang. Ihre neue Fernsehserie konnte nicht realisiert werden, weil der Regisseur gefeuert worden war, und man hatte das Projekt zunächst auf Eis gelegt. Also hatte sie plötzlich nach einer schier endlos langen Zeit harter Arbeit ein paar Monate frei, und damit konnte Chelsea nicht umgehen. Wie alle großartigen Schauspieler war sie unglaublich unsicher. Andererseits hatten die meisten Schauspieler nicht so vieles durchmachen müssen, um an die Spitze zu gelangen … Chelsea musste einfach beschäftigt sein, um nicht nachzudenken, denn wenn sie zu viel grübelte, endete es immer in einer Katastrophe.
Und dann war da Leo, der Lust hatte, Bewegung in die Dinge zu bringen, was Chelsea natürlich nicht wusste. Sie wusste nur, dass sein Büro sie angerufen hatte.
The Time of My Life würde ein großer Film werden. Man hatte Chelsea erzählt, dass man eine Unmenge an Schauspielerinnen zum Casting eingeladen hatte, und obwohl man bemüht war, ihr keine falschen Hoffnungen zu machen, war es Fakt: Man hatte sie, eine englische Schauspielerin, immerhin angerufen und eingeladen! Der Anruf sei vertraulich, hatte man ihr außerdem gesagt. Sie dürfe es nicht einmal ihrer Schwester erzählen, aber das belastete Chelsea ohnehin nicht, denn sie und Amber sprachen seit Jahren praktisch nicht mehr miteinander.
Wie gesagt, das Timing war perfekt: Sie hatte Zeit und musste sich beschäftigen. Also biss sie die Zähne zusammen und rief ihre Schwester an. Amber würde zu Dreharbeiten monatelang fort sein, sagte man ihr, aber sie könne in Ambers Gästehaus wohnen. Chelsea wusste es zu schätzen, dass sie kein Hotel bezahlen musste, und sie war ebenfalls schlau genug, zu erkennen, wie günstig es sich auf die Gerüchte auswirken würde, wenn sie bei ihrer Schwester unterkam, anstatt sich in einem anonymen Hotel einzumieten.
Chelsea war längst klar, dass Erfolg in Großbritannien nie genug sein konnte. Nun bot man ihr die Chance, ein Hollywoodstar zu werden, richtig groß rauszukommen, und die würde sie sich nicht
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