Rache
- wenn überhaupt - war ein feister Teenager mit zotteligen Haaren, der frohen Mutes die Straße entlangging. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Lied im Herzen.
Mit einem Lied im Herzen?
Toby begann leise vor sich hinzusingen: »Stuck in the Middle with You.«
Grinsend stellte er sich die Szene aus dem Film Reservoir Dogs vor.
Und wünschte, er würde wie Michael Madsen aussehen.
Sämtliche Bräute würden sich die Finger nach mir abschlecken.
Ist auch egal. Wer muss schon gut aussehen, wenn er eine Waffe hat?
Toby ging zur Eingangstür des Hauses und drückte auf den Klingelknopf. Drinnen ertönte ein Gong, aber dann blieb es still.
Ist denn niemand da? Nun kommt schon, macht auf.
Er klingelte noch einmal.
Nichts.
Toby zuckte mit den Schultern für den Fall, dass irgendwelche Nachbarn ihn beobachteten, und ging hinüber zu dem schmiedeeisernen Gartentor. Dort setzte er ein Lächeln auf hob die rechte Hand wie zum Gruß. »Ach, da bist du«, rief er in den Garten hinein. »Bemüh dich nicht, ich komme schnell mal zu dir.«
Er griff durch die Gitterstäbe des Tors, hob den Riegel an und öffnete es. Als er drinnen war, zog er es wieder zu. Der Riegel fiel mit einem leisen Klicken zurück ins Schloss.
Obwohl Toby starkes Herzklopfen hatte, musste er über die gelungene Vorstellung lächeln.
Er stand in der leeren Auffahrt, die zu einer geschlossenen Garagentür führte.
Links von der Auffahrt befand sich ein über zwei Meter hoher Holzzaun, der die Grenze des Grundstücks bildete. Dahinter konnte Toby die oberen Fenster des Nachbarhauses sehen. Die Vorhänge waren alle zugezogen, aber das war noch lange keine Garantie dafür, dass nicht doch jemand zwischen ihnen hindurchspähte und ihn beobachtete.
Also ging er weiter zur hinteren Ecke des Hauses und sagte mit lauter Stimme: »Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe. Soll ich dir mit diesem Ding da helfen?«
Toby sah niemanden.
Im hinteren Teil des Gartens befand sich eine mit Betonplatten gepflasterte Terrasse, auf der eine gepolsterte Sonnenliege und ein paar Liegestühle sowie ein weiß lackierter Picknicktisch und ein gasbetriebener Grill standen. An einer Wäscheleine flatterten ein paar T-Shirts und Nachthemden im Wind.
Toby trat hinter das Haus.
Dort drehte er sich langsam um die eigene Achse und betrachtete die Garage, den Zaun und die Bäume.
Hier konnte man sich überall gut verstecken.
Er starrte auf das ausgeblichene grüne Polster der Liege.
Ich wette, dass Brenda sich darauf in der Sonne räkelt.
Er malte sich aus, wie sie mit offenem Bikinioberteil und vom Sonnenöl glänzender Haut dalag. Wie Dawn, nur jünger und hübscher. Toby stellte sich vor, wie er ihr den glatten, heißen Rücken einölte.
Wie er ihr das knappe Höschen vom Po zog und ihre Hinterbacken knetete.
Aber dann drehte sie sich um, und sie war nackt, aber sie war nicht Brenda, sondern Sherry, die lächelnd sagte: »Hallo, toter Mann.«
Toby spürte, wie sein Hodensack zusammenschrumpfte und sein Penis ganz klein wurde.
Noch bin ich nicht tot, du verfluchte Schlampe. Schade, dass ich dich kaltgemacht habe, sonst könntest du mit ansehen, was ich mit deiner geliebten Familie alles anstellen werde.
Er trat an die Hintertür des Hauses und blickte durch die Glasscheibe. Die Tür führte in die Küche.
Toby zog sich seine Gummihandschuhe an. Sie waren innen mit Talkum ausgestäubt, sodass seine Finger problemlos hineinglitten.
Dann versuchte er, den Türknauf zu drehen, aber die Tür war abgeschlossen. Nachdem er ein paarmal daran gerüttelt hatte, zog er den Schraubenzieher aus dem Hosenbund und schlug mit dem Griff die Fensterscheibe ein. Die Scherben zerschellten klirrend auf dem Küchenboden.
»Wie ungeschickt von mir!«, sagte Toby laut. »Warte, ich helfe dir beim Aufräumen.«
Er blieb eine Zeit lang bewegungslos stehen und lauschte.
Ein Windstoß ließ die Bäume rauschen, die Kleider an der Wäscheleine flatterten, ein Flugzeug brummte und irgendwo in weiter Ferne lachte ein Mädchen hell und entzückt.
Aus dem Haus von Brendas Familie kamen keine Geräusche.
Auch nicht aus dem Nebenhaus.
Toby steckte den Schraubenzieher wieder zurück in den Hosenbund. Dann zog er ein paar stehen gebliebene Glasscherben aus dem Fensterrahmen und legte sie so leise wie möglich auf den Betonboden. Sorgfältig darauf achtend, dass er sich nicht schnitt, steckte er rechten Arm in die Öffnung. Um den Türknauf zu erreichen, musste er so weit nach unten
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