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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Apfel.
    Die Letzte war einfach viel zu leicht gestorben – dabei wollte ich ihr doch noch so vieles erklären. Ich bin mir nicht sicher, ob sie noch verstehen konnte, welche Auszeichnung es war, von mir erwählt worden zu sein. Vielleicht wird es mir bei dieser gelingen ihr die Augen zu öffnen für die Art ihrer Rolle für die Menschheit – sie wird meine Mission verstehen. Begreifen, warum die Wahl ausgerechnet auf sie gefallen ist. Vielleicht kann ich das diesmal besser machen.
    Nach der Vorführung beobachte ich sie unauffällig. Und schon bald bin ich völlig sicher: Sie hat nicht nur allein den Film gesehen, sie wird auch nicht abgeholt. Mit festem Schritt verlässt sie die Vorhalle, tritt selbstbewusst in die dunkle Kälte hinaus und überquert ohne zu zögern den großen Parkplatz vor dem UCI.
    An der Straße wendet sie sich nach links und geht in Richtung Burger King. Als sie auf gleicher Höhe mit dem Restaurant ist, verlangsamt sie ihren Schritt und sieht durch die hell erleuchteten Scheiben hinein. Vielleicht ist ihr nach dem kurzen Stück schon kalt oder der Hamburgerduft lässt sie zögern.
    Ich befürchte schon, sie habe womöglich einen Bekannten erspäht und würde sich jemandem für den Heimweg anschließen – doch sie strebt weiter, über die Querstraße und läuft an den Schaufenstern längst geschlossener Geschäfte vorbei zur Bushaltestelle vor Marktkauf. Ich habe genug gesehen, mache kehrt und hole meinen Wagen.
    Langsam rolle ich wenige Minuten später über den Parkplatz vor dem ausgestorbenen Einkaufsparadies. Inzwischen hat es auch noch angefangen zu graupeln und der unangenehm aufgefrischte Wind lässt die nächtliche Kälte beinahe sibirisch erscheinen. Dort steht sie nun, ganz allein, frierend mit fest um den Körper gezurrtem Mantel und in ihrem Blick liegt deutliche Verzweiflung. Freundlich lächelnd halte ich an, das Seitenfenster gleitet geräuschlos in die Türfüllung und biete Rettung an. Bedenkenlos steigt sie ein, schüttelt sich die kleinen Graupeln aus ihrem atemberaubend schimmernden Haar und strahlt mich dankbar an.
    Sie müsse nach Branitz, vertraut sie mir an (als ob ich das nicht längst schon wüsste!), aber der Bus käme erst in einer Viertelstunde und bei dem Sauwetter sei ihr Überleben bis dahin eher unwahrscheinlich. Wie passend ihre Formulierung ist, kann sie ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Schließlich hätte ich ihr versichern können, dass ihr Überleben das Letzte wäre, was ich zu sichern gedachte.
    Es gibt mir einen irren Kick, als Wolf im Schafspelz freundlich zu ihr zu sein und ich muss mich sehr beherrschen, damit sie meine Erregung nicht bemerkt.
    Ich plaudere angeregt mit ihr über den Film, den wir – so ein Zufall aber auch – praktisch gemeinsam gesehen haben.
    Froh der Kälte entronnen zu sein bemerkt sie weder, dass ich ihre Tür elektronisch verriegle, noch, dass ich den Umweg über den Stadtring fahre, der uns am Zoo vorbei von hinten an Branitz heran führt.
    Als ich auf den offiziellen Parkplatz für Besucher des Parks und des Schlosses des Fürsten Pückler einbiege, meint sie freundlich, das sei eine Querstraße zu früh. Sie scheint auch nicht ernsthaft beunruhigt, als ich meinen Weg zunächst unbeirrt fortsetze. Vielleicht denkt sie auch, ich wolle die große freie Fläche zum bequemen Wenden nutzen.
    Der heftige Schlag kommt für sie so unerwartet, dass sie nicht einmal mehr Zeit für Misstrauen hat.
     
    Leider konnte ich auch ihr nicht mehr erklären, für welch großes Ziel sie sterben musste. Die Mädchen halten einfach nichts mehr aus. Kein Vergleich zu dem, was ich so wegstecken konnte. Wer nicht untergehen will, braucht eben eine gewisse Härte. Und ohne die wäre ich auch nie für die Mission auserwählt worden, das steht fest.

24
    7. November
     
    »Wir haben hier schon wieder eine Mädchenleiche«, schreckte eine Stimme Peter Nachtigall aus einem irritierenden Traum.
    »Was?«, murmelte er noch schlaftrunken, während er mit zugekniffenen Augen versuchte, auf seiner Armbanduhr die Zeit zu erkennen und die surrealen Bilder zu verscheuchen.
    »Wir stehen hier in der Nähe vom Parkplatz für Schlossbesucher in Branitz. Der ist auf der rechten Seite, wenn man am Tierpark vorbei nach Branitz fährt«, begann der Anrufer seine Erklärung umständlich. »Und wenn man dann vom Parkplatz aus über die Schienen der Parkeisenbahn in Richtung Spreedamm geht – also, da liegt eine Mädchenleiche. Und Herr Nachtigall – die

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