Rachedurst
wie er sich mühte, den Hörer wieder zusammenzusetzen. Allein die freiliegenden Drähte hielten die einzelnen Teile noch zusammen.
»Kaputt«, sagte er und war wütend auf sich.
»Das sehe ich. Wir können ein Neues kaufen. Aber nicht das Telefon macht mir Sorgen.«
Als Joe die Teile zusammenpresste, barst der Hörer ganz, und Plastiksplitter regneten auf den Schreibtisch.
»Vielleicht brauch ich einen neuen Job«, meinte er düster.
»Aber sicher nicht als Telefontechniker«, sagte Marybeth.
***
Sheriff Kyle McLanahan kam an diesem Vormittag um halb elf bei Joe an, und zwar im ältesten Pick-up, der noch zur Wagenflotte des Bezirks gehörte. Sein einäugiger Blue Heeler saà neben ihm auf dem Beifahrersitz.
Joe ging nach drauÃen, um McLanahan zu begrüÃen.
Der Sheriff stieg so langsam aus, als wäre er während der Fahrt um zwanzig Jahre gealtert. Der Hund kletterte gleich nach ihm aus dem Wagen und rannte durchs Tor zu Maxine. Die Hunde beschnupperten sich eine Zeit lang.
Auch McLanahan machte den Eindruck, als wolle er Joe beschnuppern.
»Das ist es also, ja?« Er wies über Joes Schulter auf das Miller-Wiesel an der Tür.
»Genau«, sagte Joe und sah McLanahan dabei zu, wie er seine Jacke anzog.
»Gestern Abend passiert, was?«
»Ja.«
»Aber Sie haben sich erst heute Morgen gemeldet.«
»Stimmt.«
»Sie hätten besser gleich gestern Abend angerufen.« McLanahan betrat den Hof und schob sich an Joe vorbei. »Bevor das Blut geronnen und alles Beweismaterial unbrauchbar geworden ist. Das Heft haben Sie sicher auch angefasst und den Zaun geöffnet?«
»Leider ja«, gab Joe verlegen zu.
McLanahan drehte sich steif zu ihm um, als wäre er nach langem Ritt vom Pferd gestiegen. »Wissen Sie, wer das war?«
Joe zuckte die Achseln. »Jemand, der eine Botschaft übermitteln will. Sie kennen ja die Geschichte der Miller-Wiesel.«
Der Sheriff nickte. »Tja.« Mit seinem fleischigen Zeigefinger strich er sich ungemein effeminiert die Schnurrbartspitzen. »Es gibt so gut wie keine Anhaltspunkte, da Sie den Tatort verunreinigt haben und mir nichts dazu sagen können.«
»Nein, ich schätze, das kann ich nicht«, erwiderte Joe entmutigt.
McLanahan ging gemütlich zu seinem Pick-up zurück. »Sie geben mir Bescheid, wenn wieder was passiert, ja? Oder wenn Ihnen etwas darüber zu Ohren kommt, wer dafür verantwortlich gewesen sein könnte? Dann rufen Sie an, klar?«
Joe seufzte. »Dann ruf ich an.«
Der Sheriff öffnete die Wagentür, lieà seinen Hund ins Führerhaus springen, hielt inne und sah zum Himmel. Erstaunt folgte Joe seinem Blick. Vor einer mächtigen Haufenwolke flogen Gänse in V-Formation dahin.
»Ich sehe gern den Gänsen zu«, sagte McLanahan, als wäre es etwas Tiefgründiges. Dann sah er Joe an und kniff die Augen zusammen. »Rufen Sie mich nächstes Mal sofort an. Warten Sie nicht wieder zwölf Stunden, Kumpel.«
12. KAPITEL
»Ein Miller-Wiesel?« Robey Hersig lehnte sich in der Nische von Stockmanâs Bar zurück. »Im Ernst? Wo lieÃe sich überhaupt eins finden?«
Joe nippte an seinem Bier, dem dritten an diesem Abend. Es war Samstag. Die Bar im Zentrum von Saddlestring war ein enger, schlauchförmiger Raum, der sich über die Länge des ganzen Blocks erstreckte â eine klassische, altmodische Westernbar mit verstaubten GroÃwildgeweihen, dunklem Interieur aus astigem Kiefernholz, verspiegelter Rückfront und einer Wand mit alten SchwarzweiÃfotos vom Rodeo. Zwischen der Theke und den Billardtischen im hinteren Teil gab es einige Nischen mit roten, vinylbezogenen Sitzen und verschrammten Tischplatten, die mit Brandzeichen, Graffiti und Gäste-Initialen verziert waren, die bis in die Vierzigerjahre zurückreichten.
»In den Bighorns gibt es eine kleine Wiesel-Kolonie«, erwiderte Joe. »Ich hab sie persönlich dorthin umgesiedelt. Kaum jemand weiÃ, wo sie leben und wie sie zu finden sind.«
Robey musterte ihn. »So genau wollte ich das gar nicht wissen.« Joes Tun verstieà nämlich gegen Bundesgesetze. Es war verboten, in den Lebensraum gefährdeter Arten einzugreifen.
Kurz nach Joes Ernennung zum Jagdaufseher des Twelve Sleep County waren die Miller-Wiesel in einem Gebiet, durch das eine Erdgasleitung geplant war, entdeckt worden. Dies hatte zum Tod
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