Rachegott: Thriller
Diskussionen waren aus meiner Sicht viel spannender.“
„Wie meinen Sie das?“
„Ich habe Trude öfters gesagt, dass Lutz nicht der richtige Mann für sie ist. Sie müssen nämlich wissen, dass meine Schwester jahrelang eine Frohnatur war, die für ihr Leben gerne die Welt bereist hat. Sie flog häufig nach Indonesien, Südafrika, Kanada oder auch Chile. Doch nachdem sie Lutz vor einigen Jahren geheiratet hatte, war sie nicht mehr so voller Elan. Sie hat sich zusehends verändert. Ich bin davon überzeugt, dass Lutz einen schlechten Einfluss auf sie ausübte. Er schränkte sie in ihrem natürlichen Entfaltungsdrang ein. In den letzten Jahren ist sie nur ein einziges Mal im Ausland gewesen. Das war 2008 in Kolumbien. In den sechs Jahren zuvor hatte sie insgesamt zehn Länder bereist, um andere Sitten und Gebräuche kennenzulernen. Diese Erkundungsreisen waren ihr ganzes Leben. Sie hat sie unter anderem dazu genutzt, um Inspirationen für ihre Kriminalgeschichten zu sammeln. Doch dann kam Lutz und alles wurde anders.“
„Möglicherweise hat Ihre Schwester selbst entschieden, nicht mehr so oft auf Reisen zu gehen“, warf Nora ein.
„Genau das hat sie auch behauptet. Als ich sie vor einem halben Jahr auf dieses Thema ansprach, meinte sie, aufgrund ihres Alters nicht mehr so viel reisen und entdecken zu können. Dabei war sie noch nicht einmal 50! Zu diesem Zeitpunkt beginnen die meisten Menschen doch erst, die Welt zu bereisen. Nein, ich bin mir sicher, dass Lutz dahintersteckt. Er hat Trude nach und nach zu einer gelangweilten Frau gemacht. Er hat sie manipuliert und ausgenutzt. Dessen bin ich mir sicher. Aber ich kann es nicht beweisen.“
„Sie sind also der Meinung, dass Ihre Schwester mit Lutz unglücklich war, weil sie ihre eigenen Interessen für ihn zurückgestellt hat?“
„Ja, das glaube ich. Obwohl Trude es mir gegenüber immer verneint hat, wenn ich sie darauf ansprach. Aber vielleicht hatte sie Angst vor Lutz. Deshalb gab sie nicht zu, nicht mehr so fröhlich zu sein wie früher. Mein erster Impuls ging sogar in die Richtung, dass Lutz sie wegen des Geldes getötet haben könnte. Doch so weit würde ich dann doch nicht gehen. Denn er hätte sich mit dieser Tat selbst ins Knie geschossen. Trude hat alles für ihn gemacht. Sie versorgte ihn von vorne bis hinten. Er lebte bei ihr wie im Paradies. Welcher Idiot würde den Himmel auf Erden aus eigenem Antrieb heraus aufgeben?“ Er dachte kurz nach. „Allerdings kann er sich von ihrem Geld jetzt puren Luxus leisten. Er erbt nämlich ihr gesamtes Vermögen. Vielleicht steigert sich wegen der Ermordung auch noch einmal die Auflage ihrer Bücher. Eine Kriminalschriftstellerin wird getötet! Das ist ein Fressen für die Presse und bringt somit viel Werbung. Und was wäre, wenn Lutz schon längst eine andere Dumme gefunden hat, die ihn wie einen König behandelt?“
Nachdem Nora wieder einige Sätze notiert hatte, erkundigte sie sich: „Wissen Sie genau, dass Ihr Schwager das ganze Geld erbt?“
„Ja. Trude hat es mir bei unserem letzten Streit an den Kopf geknallt. Sie sagte, dass ich mir auch bei ihrem Ableben keine Hoffnung auf die Kohle machen solle, weil ihr Mann alles bekäme. Sie sehen also, dass ich nicht den kleinsten Vorteil aus ihrem Tod ziehe.“
„Es sieht ganz so aus. Kennen Sie denn zufällig Gertrud Muster?“
„Nein. Zumindest nicht persönlich. Aber ist das nicht die Gattin von Herbert Muster, dem reichen Unternehmer? Von dem habe ich natürlich hin und wieder etwas in der Zeitung gelesen. Diese Frau wurde ebenfalls getötet, nicht wahr? Und auch die Lottomillionärin Schneidbrenner. Vermuten Sie etwa einen Zusammenhang zwischen diesen Taten? Das kann ich mir nicht vorstellen, weil Trude überhaupt nichts mit den Musters oder Frau Schneidbrenner zu tun hatte. Zumindest nicht, dass ich wüsste.“
„Wissen Sie denn, ob Ihr Schwager Kontakt zu einem der anderen Opfer hatte?“
„Nein, ich habe keine Ahnung.“
„Und Sie selbst hatten auch nichts mit Jana Schneidbrenner zu tun?“
Paul schüttelte den Kopf.
„Wie steht es mit Thorsten Junker?“
„Junker? Diesen Namen habe ich noch nie gehört. Wer soll das sein?“
Die Ermittler blickten Weishaupt eindringlich an, doch er schien mit dem Namen tatsächlich nichts anfangen zu können.
„Das ist nicht weiter wichtig“, gab Nora daher von sich. Sie stand von der Couch auf, reichte Paul die Hand und gab ihm ihre Karte. „Wir danken Ihnen für Ihre Auskünfte. Sollte
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