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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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vermutet hatte, als er vor dem Eingriff zur Transplantation die lange Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen hatte. Allerdings waren auch ernstere Fäden in den Stoff der Erzählung eingewoben, düstere Fäden, und das fertige Kleidungsstück wirkte dunkler als die Materialien, aus denen es geschneidert war.
    Die Geschichte fesselte Ryan, und obwohl die Prosa brillant und leichtfüßig war, widerstand er der Versuchung, die Seiten hastig zu verschlingen, und kostete stattdessen die einzelnen Sätze aus. Er las den Roman gerade zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen.
    Winston Amory rollte einen Servierwagen zu Ryans Sessel. Darauf standen eine Kaffeekanne aus Sterlingsilber auf einem kleinen Rechaud mit einem Teelicht, um den Inhalt warm zu halten, und ein kleiner Teller mit Mandelgebäck.
    »Sir, ich habe mir die Freiheit herausgenommen zu vermuten, da Sie nicht am Tisch sitzen, könnte Ihnen ein Becher lieber sein als eine Tasse.«
    »Perfekt, Winston. Danke.«
    Nachdem er einen Becher Kaffee eingeschenkt hatte, legte Winston einen Untersetzer auf das Tischchen neben dem Sessel und stellte dann den Kaffeebecher auf den Untersetzer.
    Winston sprach von seiner Frau, als er sagte: »Penelope wüsste gern, ob Sie das Abendessen wie üblich um sieben Uhr einnehmen möchten.«
    »Heute Abend lieber etwas später. Acht wäre ideal.«
    »Dann also um acht, Sir.« Er nickte kurz, wie sonst auch - seine Art, eine Verbeugung anzudeuten -, bevor er mit sehr
geradem Rücken und gestrafften Schultern das Zimmer verließ.
    Obwohl Winston das Anwesen professionell verwaltete und die Hausangestellten mit großem Geschick zu ihren Pflichten anhielt, hatte Ryan den Verdacht, er und Penelope übertrieben ihre typisch englischen Eigenarten. Die reichten von ihrem Akzent über ihre manirierte Ausdrucksweise bis hin zu dem Übereifer, mit dem sie auf Anstand und Etikette bedacht waren, weil sie in früheren Arbeitsverhältnissen gelernt hatten, dass es das war, was Amerikaner, die sie in ihre Dienste nahmen, bezauberte. Gelegentlich war ihm dieses Theater lästig, doch meistens amüsierte es ihn, und alles in allem lohnte es sich, ihre Marotten zu ertragen, weil sie ihre Arbeit gut machten und weil er absolutes Vertrauen in sie setzte.
    Bevor er nach dem Erhalt seines neuen Herzens zur weiteren Genesung nach Hause zurückgekehrt war, hatte er Lee und Kay Ting sowie die Assistenten der beiden entlassen. Jeder hatte eine Abfindung von zwei Jahresgehältern bekommen, über die sich keiner beschwert hatte, und außerdem sehr lobende Empfehlungsschreiben, aber keine Erklärung.
    Er hatte in ihrem Fall zwar keine Beweise für einen Verrat, aber eben auch keine Beweise, die sie entlastet hätten. Er wollte bei seiner Rückkehr nach Hause eine Atmosphäre vorfinden, die ihm das Gefühl von Sicherheit und Frieden gab.
    Wilson Motts Bericht über Winston und Penelope Amory - und über die anderen neuen Angestellten - war so erschöpfend, dass Ryan das Gefühl hatte, sie alle so gut zu kennen wie sich selbst. Er misstraute ihnen nicht und sie gaben ihm keinen Grund, an ihrer Loyalität zu zweifeln. Das
Jahr war ohne einen einzigen seltsamen Zwischenfall vorübergegangen.
    Als er jetzt mit Kaffee und Keksen versorgt war, vertiefte sich Ryan wieder so sehr in Sams Roman, dass er nicht merkte, wie die Zeit verging, und als er am Ende eines Kapitels aufblickte, stellte er überrascht fest, dass die Abenddämmerung bereits das wenige an Licht aus dem Wintertag heraus sickern ließ, was Regen und Nebel nicht bereits ertränkt hatten.
    Hätte er auch nur ein paar Minuten später aufgeblickt, hätte er die Gestalt auf dem Rasen an der Südseite des Hauses vielleicht gar nicht sehen können.
    Anfangs glaubte er, es müsse sich um einen Schatten handeln, den Nebelfetzen gebildet hatten, denn es schien ein Mönch in einer Kutte mit Kapuze zu sein, obwohl es hier weit und breit kein Kloster gab.
    Näheres Hinsehen machte aus der Kutte einen schwarzen Regenmantel. Die Kapuze, das schwindende Licht und eine Entfernung von über zehn Metern verbargen das Gesicht so gut, dass er nur einen sehr schwachen Eindruck davon bekam.
    Es wirkte so, als starre der Besucher - Eindringling schien ihm gleich darauf eine passendere Bezeichnung zu sein - die Glasscheibe an, die vom Boden bis zur Decke reichte und den besten Blick auf Ryan in seinem Sessel bot.
    Als er sein Buch zur Seite legte und sich erhob, um ans Fenster zu treten, bewegte sich auch die Gestalt. Als er die

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