Racheherz - Roman
war, konnte Ryan nicht davon ausgehen, dass er im Schlaf sicher wäre.
Er zog in Betracht, die Nacht in einem der Gästezimmer zu verbringen oder sich an einem unwahrscheinlichen Ort schlafen zu legen, zum Beispiel in der Waschküche. Aber wenn er in seiner Festung im zweiten Stock nicht sicher war, gab es innerhalb dieser Mauern überhaupt keinen sicheren Zufluchtsort mehr.
Er spielte kurz mit dem Gedanken, sich in ein Hotel zu flüchten, doch die Entrüstung über diese grobe Verletzung seiner Privatsphäre wuchs sich rasch zu rechtschaffenem Zorn aus. Er hatte doch nicht etwa eine Herztransplantation überlebt, um jetzt wie ein verängstigtes Kind vor einem Peiniger davonzulaufen, dessen Streiche zwar in ihrer Ausführung ausgeklügelt, vom Konzept her jedoch geistlos waren. Das Ganze erinnerte ihn an einen blöder Psychothriller von der Sorte, die junge Mädchen dazu brachte, voller Entsetzen und Begeisterung zu kreischen.
Da ihm keine Pistole mehr vergönnt war, begab er sich in den Alkoven, um dort ein Messer auszuwählen.
Der Einbaukühlschrank enthielt nicht nur alkoholfreie Getränke und Wasserflaschen, sondern auch Snacks, von denen er manchmal naschte: eine Auswahl von Käsesorten und frisches Obst in kleinen Mengen.
Eine Schublade im Barschrank enthielt die nötigen Utensilien, darunter flache Teller und Essbesteck. Dort fand er
ein Schälmesser für das Obst, ein gewöhnliches Küchenmesser mit einer zwanzig Zentimeter langen Klinge und ein spitzeres Sägemesser.
Er wählte das Küchenmesser, kehrte damit ins Schlafzimmer zurück und schob es unter das Kissen neben sich, auf dem Samanthas Kopf schon lange nicht mehr gelegen hatte.
Er lehnte sich zurück an seinen Kissenberg und schaltete den Fernseher ohne Ton ein. Er sah sich eine Sitcom an, die stumm nicht komischer war, als sie es mit Ton gewesen wäre.
Sein Verstand kreiste unerbittlich um eine beunruhigende logische Schlussfolgerung. Wenn sich jetzt Menschen miteinander verschworen hatten, um ihn zu martern und ihm möglicherweise etwas anzutun, dann war die Verschwörung, die er vor seiner Transplantation vermutet und schließlich mehr oder weniger als Einbildung abgetan hatte, so gut wie sicher real vorhanden gewesen.
Ein Aspekt dieser Verschwörung war die Möglichkeit gewesen, dass seine Kardiomyopathie die Folge einer Vergiftung gewesen war. Und wenn man ihn damals vergiftet hatte, dann musste er davon ausgehen, dass er wieder vergiftet und sein neues Herz ebenso wie sein erstes zerstört werden würde.
Wenn das der Wahrheit entsprach, dann hatte man ihn wahrscheinlich schon längst wieder vergiftet. Da er seinem neuen Personal vertraute, hatte er gegessen und getrunken, was man ihm vorgesetzt hatte.
Er fragte sich, wie lange nach der Vergiftung die Schädigung des Herzmuskels festzustellen war.
Natürlich konnte das Personal unschuldig sein. Wenn irgendein Fremder nach Belieben im Haus ein und aus gehen
konnte, ohne entdeckt zu werden, dann konnten die Zutaten der Mahlzeiten, die Ryan einnahm, ohne Beteiligung der Amorys oder ihrer Assistenten vergiftet worden sein.
Man musste natürlich auch ein alternatives Szenario in Betracht ziehen. Wenn die von ihm als solche empfundene Verschwörung und Vergiftung vor seiner Transplantation reine Einbildung gewesen waren, dann konnte er sich auch die derzeitigen Vorfälle einbilden.
Tatsächlich hatte er nichts in der Hand - weder die Erscheinung im Regenmantel auf einer Aufzeichnung noch den goldenen Anhänger oder die Zuckerherzen -, um zu beweisen, dass einer dieser jüngsten erschreckenden Vorfälle tatsächlich stattgefunden hatte.
Vor seiner Transplantation hatte er drei Medikamente eingenommen, die ihm Dr. Gupta verschrieben hatte. Nach dem Eingriff waren es achtundzwanzig. Wenn eines der Medikamente oder eine der Kombinationen von Medikamenten als Nebenwirkung zu Paranoia, Wahnvorstellungen und Halluzinationen führen konnte, dann war er jetzt weitaus stärker gefährdet als vor einem Jahr.
Aber er wusste, dass er nicht an Wahnvorstellungen litt. Er wusste es ganz einfach.
Er fürchtete sich nicht, sondern kochte vor Wut. Und seine Entschlossenheit, der Jäger und nicht die Beute zu sein, ließen Ryans Verstand in sich abwechselnd ausweitenden und schrumpfenden Windungen um das Rätsel kreisen, auf der Suche nach einem einzigen losen Faden, der, wenn man daran zupfte, das Mysterium aufdröselte und die Wahrheit zum Vorschein brachte.
Aus Verwirrung wurde Frustration, bis er am
Weitere Kostenlose Bücher