Rachekind: Thriller (German Edition)
legte ihre Ärmchen um Marys Hals und schmiegte den Kopf an ihre Schulter.
»Mein Schätzchen«, flüsterte Mary und hielt Lilou fest. »Mein Schätzchen.«
George räusperte sich. »Dann schenk ich mal Tee ein, bevor jetzt alle zu heulen anfangen.« Er goss die Tassen voll und reichte Hanna die Milch. »Mary hat mich heute früh ins Dorf geschickt, Bananen kaufen. Weil sie für Lilou Bananenmuffins backen wollte. Ich hab sie ausgelacht, aber du kennst sie ja, wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat.« Er sah Mary an, und sein Blick war voller Zärtlichkeit. »Ich hab mir gedacht, wenn es ihr Spaß macht, dann soll sie Bananenmuffins backen, irgendjemand findet sich immer, der sie isst.«
Hanna horchte auf. Wie konnte Mary ahnen, dass sie heute kommen würden? Sie beobachtete Mary und Lilou. Als wären George und ich nicht da. Woher kommt nur diese extreme Bindung? Nachdenklich berührte sie ihren silbernen Schlüssel. Koexistenz. Sie verscheuchte den Gedanken.
»Ja, und jetzt seid ihr tatsächlich hier.« George nahm einen Schluck Tee und grinste. »Wenn ich gewusst hätte, dass das so einfach geht, hätte ich Mary schon vor Wochen Muffins backen lassen.«
Hanna versuchte zu lächeln, doch es misslang ihr. »Ich wünschte, wir wären wegen der Muffins hier.«
»Du bist wegen Steve hier.« Mary zerteilte Lilous Muffin in kleine Stücke.
»Om nocheina«, sagte Lilou und streckte fordernd ihre Hand aus.
Hanna holte einen weiteren Teller und stellte ihn vor Lilou. »Es ist einiges passiert, seit ich euch das letzte Mal gesehen habe, und Lilous kleiner Freund Om ist dabei das geringste Übel.«
George kam mit der frisch aufgebrühten Kanne Tee zum Tisch zurück. Sein Blick war noch immer skeptisch, und Hanna spürte, wie sehr er mit sich kämpfte.
»Spuck’s schon aus! Ich weiß, wie verrückt das alles klingt, und ganz ehrlich, George, wenn du mir das eben alles erzählt hättest, würde ich jetzt genauso an deinem Verstand zweifeln wie du wahrscheinlich an meinem.«
»Tut mir leid, ich kann da nicht aus meiner Haut.« Er strich verlegen die Tischdecke glatt. »Mary kann dir ihr Leid darüber klagen, nach ihrem … Unfall hat sie mal gesagt, sie hätte Steve gesehen. Das klang für mich genauso unsinnig, wie wenn sie mich Bananen kaufen schickt, weil sie glaubt, dass Lilou mit dir zum Tee einfliegt.«
»Sie sind aber da«, bemerkte Mary trocken.
»Du weißt, was ich meine«, sagte George. »Dass sie jetzt hier sind, ist purer Zufall, so was kann man nicht spüren.«
Mary zuckte mit den Schultern und lächelte, als würde sie sagen wollen: »Wer weiß?«
»Ich glaube selbst nicht an Geister und solchen Kram.« Hanna verteilte mit der Gabel die Brösel auf ihrem Kuchenteller, um das Zittern ihrer Hand zu verbergen, das sich bei dem Gedanken an Steves Anblick im Spiegel einstellte. »Aber … manche Dinge kann ich mir einfach nicht erklären. Britt und Marten können nicht für alles verantwortlich sein, was Lilou und mir in den letzten Monaten passiert ist. Vor allem, was Lilou betrifft. Es ist eine Sache, mich zu manipulieren. Aber wie stellen sie das bei Lilou an?«
»Manchmal geschehen Dinge, die wir nicht erklären können.« Mary sprach sehr leise, und doch vernahm Hanna jedes Wort so deutlich, als hätte sie besonders laut gesprochen. »Manchmal musst du dich auf das Unglaubliche einlassen, wenn du Antworten haben willst. Sonst wirst du ewig suchen.«
George winkte ab. »Ach, hör nicht auf Mary. Als Nächstes wird sie vorschlagen, dass du dir ein Ouijabrett kaufst. Sag lieber, warum du zu uns gekommen bist. Dein Besuch hat doch einen Grund, nicht wahr?«
»Ich möchte herausfinden, wer Steve wirklich war. Warum er vor sechs Monaten hier gewesen ist. Was er vorhatte. Wenn ich das weiß, weiß ich auch, was … Britt und Marten vorhaben.« Sie spuckte den Namen Britt beinahe heraus, als hätte es sie größte Überwindung gekostet, ihn überhaupt in den Mund zu nehmen.
»Hast du einen Plan?«
»Ich habe ein paar Fotos von Steve, als er ein Jugendlicher war. Ich dachte, wenn ich noch mal so eine Flugblattaktion starte … Und die Schulen abfahre. Ich wollte letztes Mal schon die alten Jahrbücher einsehen.« Sie kramte Steves Fotos aus ihrer Tasche hervor und legte sie auf den Tisch.
»Und ich werde Linus bitten, mir zu helfen. Den Typen, den ich damals am Viewpoint …«
Georges Hand schoss vor. Er grapschte nach den Fotos, als Marys Stimme wie ein Peitschenknall durch den Raum schwang.
Weitere Kostenlose Bücher