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Rachekind: Thriller (German Edition)

Rachekind: Thriller (German Edition)

Titel: Rachekind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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riesigen Tür und einem Karussell. Sie erkannte es sofort. Grace Manor Hotel. So ähnlich war es auf dem Hinweisschild an der Straße skizziert worden. Sie las Marys Notiz in der unteren Ecke des Bildes: Lilou, 28.9.
    Hanna streckte die Hand nach der Zeichnung aus und berührte sie an einer Ecke. Selbst eine so rudimentäre Zeichnung war für Lilou unmöglich zu schaffen. Sie war noch in dem Stadium der Kritzelei. Wieder beschlich Hanna das unheimliche Gefühl, sie sei nicht allein im Zimmer, jemand beobachte sie. Ohne den Schreibtisch aus den Augen zu lassen, ging sie rückwärts zur Tür und verließ das Zimmer. Wer oder was auch immer Lilou beeinflusste, Hanna verstand die Nachricht. Sie musste Grace Manor Hotel einen Besuch abstatten.
    Fünf Minuten vor zwölf parkte Hanna ihren Leihwagen vor Sandy Bay. Sie stieg aus und sah sich um. Das Meer lag glatt vor ihr, die Sicht war gut genug, um bis nach Wales blicken zu können. Außer ihrem Nissan befand sich kein weiteres Auto in der Parkbucht.
    »Du bist also zurückgekommen.«
    Hanna schrak zusammen. Dann drehte sie sich um. Linus stand vor ihr.
    »Ich habe dich gar nicht gehört.«
    »Was ist los?«
    »Ich muss wissen, was Steve von dir wollte.«
    »Kohle.«
    »Er wollte sich Geld leihen?«, fragte Hanna erstaunt. »Nachdem ihr zehn Jahre keinen Kontakt hattet?«
    »Er wollte schnell an Kohle kommen.« Linus verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Wenn du verstehst, was ich meine.«
    Hanna verstand. »Was hast du ihm gesagt?«
    Linus lachte auf. »Was glaubst du?«
    »Als Steve im Frühjahr hier war, soll er bei einem Telefonat gesagt haben, dass das Schwein bezahlen wird. Vielleicht wollte er jemanden erpressen.«
    Linus’ Grinsen verschwand. »Ich habe ihm gesagt, dass er sich verpissen soll. Ich lass mich von ihm nicht in irgendwas reinziehen.«
    »Weißt du mehr darüber?«, bohrte Hanna nach. »Weißt du, um wen es ging?«
    »Es ist gesünder, nicht zu viel zu wissen. Auch für dich.« Er presste seine Lippen zusammen, und Hanna wusste, dass er ihr nichts mehr zu diesem Punkt sagen würde.
    »Okay. Grace Manor Home. Hat Steve je darüber gesprochen?«, fragte Hanna. »George hat mir davon erzählt, es muss die Hölle gewesen sein.«
    »Unsinn.« Seine Augenbrauen hoben sich. »Hölle … albern.«
    »Der Heimleiter soll die Jungen geschlagen haben.«
    »Wer in dem Heim war, ist von seinen Eltern dorthin geprügelt worden.«
    Er wandte sich ab und starrte aufs Wasser. »Für die meisten war das Heim die einzige Chance.«
    Hanna zog das Foto der beiden Steves aus ihrer Tasche. »Kennst du den Jungen neben Steve?«
    »Nein«, sagte Linus nach einem flüchtigen Blick auf das Foto. Er sah auf seine Uhr. »Ich muss los.«
    »Aber …«, wollte Hanna protestieren, doch er schnitt ihr das Wort ab.
    »Mein Rat: Vergiss Steve, vergiss das Heim. Fahr nach Hause und fang noch mal neu an.« Er hob die Hand zum Gruß, wandte sich ab und ging zu seinem Fahrrad.
    »Steve ist vielleicht tot!«, rief Hanna ihm hinterher, in einem verzweifelten Versuch, ihn zum Bleiben zu bewegen.
    Tatsächlich verharrte Linus auf der Stelle und drehte sich dann wie in Zeitlupe um. Augen und Lippen zusammengekniffen, sah er sie aufmerksam an, dann zischte er: »Ein Grund mehr, ihn so schnell wie möglich zu vergessen.«
    Hanna hörte die Warnung in seiner Stimme und wollte nachhaken, doch er hatte sich bereits wieder umgedreht, auf sein Fahrrad geschwungen und strampelte eilig davon.

56
    6. April 1991
    Sie haben ihn gefunden. Er hat es nicht mal bis zu seinen Nachbarn geschafft.
    Ich weiß nicht, bin ich froh, dass er wieder da ist und ich aufhören kann, mir Sorgen zu machen, oder bin ich enttäuscht, dass er geschnappt worden ist? Irgendwie beides, aber ich hab ihn noch nicht gesehen, der Alte hat ihn nicht zu uns gelassen. So, wie der Alte drauf ist, kann Steve sich jetzt eh auf Wochen in dem beschissenen Einzelzimmer einrichten. Das ist schlimmer als Einzelhaft.
    Ich hoffe nur, der Alte prügelt ihn nicht so wie Marcus damals. Das überlebt Steve nicht. Wenn er beim Fußball eine mitbekommt, braucht der total lange, um wieder hochzukommen. Aber er beißt dann immer die Zähne zusammen und sagt nichts. Ich hab mal die Hausmutter gefragt, als ich mir den Knöchel verknackst hab und sie mir einen Stützverband angelegt hat. Die ist voll okay, ich glaube, die hat genauso viel Schiss vorm Alten wie wir. Und die hat mich gleich schwören lassen, dass ich beim Fußball gut auf ihn aufpasse, weil

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