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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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da, hielt ihr Gesicht in den auffrischenden Wind und sah die Straße hinab, während die Menge sich allmählich zerstreute, die Faust schmerzvoll geballt, die Zähne zusammengebissen.
    »Monza.« Doch nicht allein. Als sie den Kopf wandte, sah ihr Espe in die Augen – aus größerer Nähe, als ihr lieb war. Er sprach, als fiele es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. »Irgendwie haben wir … ich weiß auch nicht. Seit Westport … ich wollte bloß fragen …«
    »Lass es lieber.« Damit drängte sie sich an ihm vorüber und eilte davon.

ÄRGER MACHEN
    Nicomo Cosca schloss die Augen, leckte sich über die Lippen, atmete voller Vorfreude tief durch die Nase ein und hob die Flasche. Ein Schnaps, ein Schnaps, ein Schnaps. Das vertraute Versprechen, mit dem der Glasrand des Flaschenhalses gegen seine Zähne schlug, die kühlende Nässe auf der Zunge, die beruhigende Bewegung seiner Kehle, als er schluckte … wenn es doch bloß nicht nur Wasser gewesen wäre.
    Er hatte sich aus den verschwitzten Laken geschält und war in seinem klammen Nachthemd in die Küche geschlichen, um nach Wein zu suchen. Oder nach irgendeiner anderen Pisse, die einen Mann betrunken machte. Irgendetwas, das seine staubige Schlafkammer daran hinderte, wie eine von der Straße abgekommene Kutsche zu ruckeln, das die Ameisen verscheuchte, die er ständig über seine Haut kriechen fühlte, und das den pochenden Kopfschmerz linderte, egal, was es ihn kostete. Scheiß auf die ganze persönliche Läuterung, und Scheiß auf Murcattos Rache.
    Er hatte gehofft, dass alle im Bett sein würden, und er bebte vor Enttäuschung, als er Freundlich am Herd entdeckte, der Haferbrei fürs Frühstück kochte. Inzwischen musste er allerdings zugeben, dass er seltsam froh war, den Sträfling hier angetroffen zu haben. Freundlichs Ruhe und Gelassenheit hatten etwas beinahe Magisches an sich. Er hatte das Selbstbewusstsein, schweigsam zu bleiben und sich einfach nicht darum zu kümmern, was andere dachten. Genug, um Cosca selbst einen seltenen Schritt auf die Gelassenheit zugehen zu lassen. Auf Schweigsamkeit jedoch nicht. Stattdessen hatte er geredet, beinahe ununterbrochen, seit das erste Licht durch die Ritzen in den Fensterläden gekrochen war und die Morgendämmerung heraufzog.
    »… wieso, zur Hölle, tue ich das, Freundlich? Wieso kämpfe ich, in meinem Alter? Kämpfen! Dieser Teil des Geschäfts hat mir nie Spaß gemacht. Und dann noch auf derselben Seite von widerlichen Selbstbeweihräucherern wie Morveer! Ein Giftmischer? Das ist doch eine abscheuliche Art, einen Menschen umzubringen. Und ich bin mir natürlich völlig bewusst, dass ich gerade die erste Soldatenregel breche.«
    Freundlich hob eine Augenbraue um ein kleines Stück, während er langsam den Haferbrei umrührte. Cosca hatte den starken Verdacht, dass der Sträfling genau wusste, wieso er hier heruntergekommen war, aber falls das stimmte, dann hatte er bessere Manieren, als das Thema anzuschneiden. Sträflinge sind in der Regel äußerst höflich. Schlechte Manieren können im Gefängnis schnell tödlich sein. »Die erste?«, fragte er.
    »Kämpfe nie für die schwächere Seite. Sosehr ich Herzog Orso mit brennender Leidenschaft verabscheut habe, ist es doch ein möglicherweise tödlicher Unterschied, ob man einen Mann hasst oder ob man wirklich etwas gegen ihn unternehmen will.« Er schlug sanft mit der Faust auf den Tisch und ließ das Modell von Cardottis Haus der Sinnesfreuden leicht erzittern. »Vor allem, wenn es im Auftrag einer Frau geschieht, die mich schon einmal verraten hat …«
    Wie eine Brieftaube auf dem Heimflug, die immer wieder zu ihrem geliebten und gehassten Käfig zurückkehrt, arbeitete sich sein Hirn durch neun vergeudete Jahre. Nach Afieri. Wie schon so oft, in Hunderten von stinkenden Räumen, in spottbilligen Gasthäusern, in verkommenen Tavernen überall im ganzen Weltenrund dachte er wieder daran, wie die Pferde den langen Hang hinuntergaloppiert waren, mit der schimmernden Sonne im Rücken. Eine schöne Schau, hatte er gedacht, als die Kavallerie auf ihn zukam, und er hatte durch den leichten Nebel der Trunkenheit gelächelt, als er sah, wie echt es wirkte. Und er erinnerte sich an sein Entsetzen, als die Reiter nicht langsamer wurden. An den furchtbaren Schock, der ihn durchzuckte, als sie in seine eigenen, schlampig aufgestellten Reihen krachten. An die Mischung aus Wut, Hoffnungslosigkeit, Abscheu und betrunkener Verwirrung, die ihm seit diesem Tag wie ein

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