Racheklingen
gesamten Achterbundes deutlich übertraf, folgte dem Königspaar in respektvollem Abstand. Mindestens zwanzig Hofdamen, jede einzelne reichlich mit Juwelen behängt. Eine Abordnung der Lords von Midderland, Angland und Starikland, dicke Pelze und goldene Ketten um die Schultern. Bewaffnete trampelten hinter ihnen einher, und auf ihren Rüstungen lag dick der Staub von den Reitern vor ihnen. Jeder Mann schluckte den Staub jener, die eine höhere Stellung einnahmen als er selbst. Die hässliche Wahrheit der Macht.
»König der Union, was?«, überlegte Espe und sah dem Königspaar nach. »Das da ist der mächtigste Mann im ganzen Weltenrund?«
Vitari schnaubte. »Das da ist der Mann, hinter dem jener Mächtigste steht. Jeder kniet vor einem anderen. Du verstehst nicht allzu viel von Politik, oder?«
»Wovon?«
»Von Lügen. Der Krüppel regiert die Union. Der Junge mit der goldenen Rüstung ist nur die Maske, die er trägt.«
Cosca seufzte. »Wenn du so aussähest wie der Krüppel, dann würdest du dir wahrscheinlich auch eine Maske besorgen.«
Die Jubelrufe, die es zuvor gegeben hatte, wehten hinter dem König und der Königin her. Dort, wo Monza stand, kehrte eine verdrießliche Stille ein. Es war so still, dass sie das Rattern der Wagenräder hören konnte, als eine vergoldete Kutsche die Straße entlangkam. Mehrere Dutzend grimmiger Wächter marschierten in sauber aufgestellten Kolonnen an beiden Seiten dahin, die Waffen weniger poliert als die der Unionisten, aber dafür öfter benutzt. Ein Grüppchen gut gekleideter und völlig nutzloser Edelleute folgte.
Monza schloss ihre rechte Faust, und die missgestalteten Knochen verschoben sich. Schmerz kroch über ihre Knöchel durch die Hand den Arm hinauf, und sie fühlte, wie sich ihr Mund zu einem grimmigen Lächeln verzog.
»Da sind sie«, sagte Cosca.
Ario hatte sich auf der rechten Seite auf einige Kissen gefläzt, wurde von den Bewegungen der Kutsche leicht durchgeschüttelt und hatte seinen üblichen verächtlich trägen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Foscar saß aufrecht und blass neben ihm. Sein Kopf bewegte sich beim kleinsten Geräusch hin und her. Der eingebildete Kater und der neugierige Welpe, Seite an Seite.
Gobba war ein Nichts gewesen. Mauthis nur ein Bankier. Orso war es vermutlich kaum aufgefallen, dass es ein paar neue Gesichter in seiner Nähe gab, als man die beiden ersetzt hatte. Aber Ario und Foscar waren seine Söhne. Sein eigenes, kostbares Fleisch und Blut. Wenn es ihr gelang, sie zu töten, war das fast schon genauso gut, wie Orso selbst die Klinge in den Bauch zu rammen. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie sich sein Gesicht vorstellte, wenn man ihm die Nachricht überbrachte.
Euer Exzellenz! Eure Söhne … sind tot …
Ein plötzlicher Aufschrei zerriss die Stille. »Mörder! Abschaum! Orsos Bastarde!« Unten in der Menge fuchtelte jemand mit Armen und Beinen und versuchte, die Kette der Soldaten zu durchbrechen. »Ihr seid der Fluch Styriens!« Zorniges Gemurmel wurde laut, und eine Welle der Unruhe ging durch die Schaulustigen. Sorotius mochte sich selbst als neutral bezeichnen, aber die Bürger von Sipani hatten für Orso und seine Brut nichts übrig. Sie wussten, wenn er den Achterbund zerstört hätte, würden sie die Nächsten sein. Einige Männer bekamen den Hals niemals voll.
Die Berittenen zogen blank. Am Rande der Menge schimmerte Metall, und es erklang ein dünner Schrei. Foscar stand beinahe in der Kutsche und starrte auf die wogende Menschenmasse. Ario zog ihn auf seinen Sitz zurück und ließ sich selbst wieder gegen die Kissen sinken, den Blick gelangweilt auf die eigenen Fingernägel gerichtet.
Der kurze Aufruhr war vorbei. Die Kutsche ratterte davon, die Edelleute nahmen wieder ihre Formation ein, und Soldaten in den Farben von Talins marschierten hinter ihnen her. Der letzte von ihnen zog unter dem Dach des Lagerhauses vorüber und weiter die Straße entlang.
»Und damit wäre die Schau vorüber«, seufzte Cosca, der sich selbst mit einem Ruck aufrichtete und auf die Tür zuhielt, die zur Treppe führte.
»Ich wünschte, sie könnte ewig dauern«, bemerkte Vitari sarkastisch, als sie sich abwandte.
»Eintausendeinhundertzwölf«, sagte Freundlich.
Monza starrte ihn an. »Was?«
»Leute. In der Parade.«
»Und?«
»Einhundertfünf Edelsteine in der Kette der Königin.«
»Wollte ich das verdammt noch mal wissen?«
»Nein.« Freundlich folgte den anderen zur Treppe.
Für eine Weile noch stand sie allein
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