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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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in der Düsternis ab. Wenig später grollte der Donner missmutig und gedämpft über die Stadt.
    »Wo schlafe ich?« Espe stand in der Tür, den Arm gegen den Rahmen gestützt und ein paar Decken über die Schulter geworfen.
    »Du?« Sie blickte zu der kleinen Glasfigur über seinem Kopf und dann wieder auf Espes Gesicht. Vielleicht hatte sie vor langer Zeit einmal hohe Ansprüche gehabt, aber damals war auch Benna noch bei ihr gewesen, sie hatte noch beide Hände gehabt und ein Söldnerheer im Rücken. Jetzt hatte sie nichts außer sechs gut bezahlten Außenseitern, einen Degen und viel Geld. Ein General sollte Abstand zu seinen Truppen wahren, und eine gesuchte Frau sollte sich von allen Menschen fernhalten, aber Monza war keine Generalin mehr. Benna war tot, und sie brauchte irgendetwas. Man kann über sein Unglück weinen, oder man kann sich aufraffen und das Beste aus den Dingen machen, so beschissen sie auch sein mögen. Sie schubste den Fensterladen zu, ließ sich mit gequältem Gesicht aufs Bett sinken und stellte die Lampe auf den Boden.
    »Du schläfst hier bei mir.«
    Seine Brauen hoben sich. »Ja?«
    »So ist es, Optimist. Heute Nacht hast du Glück.« Auf die Ellenbogen aufgestützt, lehnte sie sich zurück, und das alte Bettgestell knarrte, als sie ihm einen Fuß hinstreckte. »Jetzt mach die Tür zu und hilf mir, diese scheiß Stiefel auszuziehen.«

RATTEN IM SACK
    Cosca kniff die Augen zusammen, als er auf das Dach des Turmes trat. Selbst das Sonnenlicht schien es darauf anzulegen, ihn zu foltern, aber er ging davon aus, dass er das mehr als verdiente. Unter ihm erstreckte sich Visserine, ein Durcheinander aus Backstein- und Fachwerkhäusern, Villen aus cremefarbenem Stein und den großen Kronen allmählich ergrünender Bäume, die dort aufragten, wo sich Parks und breite Prachtstraßen befanden. Überall schimmerten die Fenster, und die Statuen aus farbigem Glas, die auf den Dachkanten der besonders auffälligen Gebäude standen, fingen das Morgenlicht und glitzerten wie Edelsteine. In der Umgebung erhoben sich weitere Türme, Dutzende, einige weitaus höher als der, auf dem er stand, und warfen ihre langen Schatten über das Häusergewirr.
    Südlich lag das graublaue Meer, und vom berühmten Glasbläserquartier auf der Insel direkt vor der Stadt erhob sich noch immer der Rauch der Fabriken; darüber kreisten wie kleine Flecken in ruhigem Flug die Seevögel. Im Osten war die Visser wie eine dunkle Schlange zwischen den Gebäuden zu erkennen, und vier Brücken verbanden die beiden Hälften der Stadt. Großherzog Saliers Palast thronte mächtig auf einer Insel inmitten des Stroms. Ein Palast, in dem Cosca viele angenehme Abende verbracht hatte, als Ehrengast des großen Kunstkenners höchstselbst. Zu einer Zeit, da er noch geliebt, gefürchtet, bewundert worden war. Es war so lange her, dass es ihm vorkam, als erinnere er sich an das Leben eines anderen.
    Monza stand bewegungslos an der Brustwehr, eingerahmt vom blauen Himmel. Die Klinge ihres Degens und ihr sehniger linker Arm bildeten eine Linie, eine perfekte Gerade, von der Schulter bis zur Degenspitze. Der Stahl leuchtete hell, der Rubin an ihrem Mittelfinger glitzerte blutig, ihre Haut glänzte vor Schweiß. Ihr Hemd klebte an ihrem Körper. Sie ließ den Degen sinken, als er näher kam, während er den Weinkrug hob und einen langen, kühlen Schluck trank.
    »Ich hatte mich gefragt, wie lange du durchhalten würdest.«
    »Es ist nur Wasser darin, zu meinem großen Leidwesen. Hast du meinen feierlichen Eid nicht gehört, dass ich nie wieder Wein zu mir nehmen werde?«
    Sie schnaubte. »Das habe ich schon vorher oft genug gehört, ohne dass es je etwas bedeutet hätte.«
    »Ich befinde mich auf dem langen und schmerzhaften Weg der Läuterung.«
    »Das habe ich auch schon oft gehört, und das hatte noch weniger zu bedeuten.«
    Cosca seufzte. »Was muss ein Mann denn tun, damit man ihn ernst nimmt?«
    »Einmal im Leben sein Wort halten?«
    »Mein zartes Herz, so oft in der Vergangenheit wurde es schon gebrochen! Kann es diesen neuerlichen Schlag verkraften?« Er trat neben sie und stützte den Fuß auf die Brustwehr. »Ich wurde in Visserine geboren, wie du weißt, nur wenige Straßen von hier entfernt. Eine glückliche Kindheit, aber eine wilde Jugend, voller hässlicher Zwischenfälle. So wie der eine, der mich zwang, aus der Stadt zu fliehen und mein Glück als Söldner zu versuchen.«
    »Dein ganzes Leben war voller hässlicher

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