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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sich lediglich die Frage, wie weit sie dieser Frau vertrauen konnte. Sicher, sie waren mitten in einem Krieg, aber die größte Bedrohung ging für sie höchstwahrscheinlich immer noch von ihrer eigenen kleinen Truppe Ausgestoßener aus. Vitari? War allein des Geldes wegen hier, und das war stets ein riskanter Beweggrund, weil jederzeit ein anderer Drecksack mit tieferen Taschen des Weges kommen mochte. Cosca? Wie sehr konnte man einem anerkannt betrügerischen Säufer vertrauen, den man einmal selbst verraten hatte? Freundlich? Wer konnte überhaupt sagen, was im Kopf dieses Mannes vor ich ging?
    Aber verglichen mit Morveer waren sie geradezu eine richtige Familie. Sie sah verstohlen über ihre Schulter und entdeckte, dass er ihr von seinem Platz auf dem Wagen finstere Blicke zuwarf. Der Mann war reines Gift, und sobald ihm ihr Tod einen Gewinn versprach, würde er sie so schnell ermorden, wie andere einen Holzbock zerquetschten. Er war mit der Entscheidung, nach Visserine zu gehen, nicht einverstanden gewesen, aber es kam für sie nicht in Frage, ihm ihre Beweggründe zu erläutern. Orso würde inzwischen längst Eiders Brief erhalten haben. Sicherlich hatte er eine königliche Belohnung aus den Kassen von Valint und Balk auf ihren Tod ausgesetzt, und die Hälfte aller Meuchelmörder des ganzen Weltenrunds streifte durch Styrien und hoffte, ihren Kopf in einen Sack stecken zu können. Zusammen mit den Köpfen aller, die ihr geholfen hatten, natürlich.
    Angesichts dieser Lage der Dinge waren sie in der Mitte einer Schlacht sicherer als außerhalb.
    Espe war der Einzige, dem sie auch nur halbwegs trauen konnte. Er ritt vornübergebeugt, groß und schweigend neben ihr. In Westport hatte sie sein Geplapper gestört, aber jetzt war es verstummt, und so seltsam es klang, es hatte eine Lücke hinterlassen. Er hatte ihr im nebelgeschwängerten Sipani das Leben gerettet. Monzas Leben war nicht mehr das, was es früher einmal gewesen war, aber wenn ein Mann ihr dieses bisschen bewahrte, dann stieg er trotzdem ein verdammt großes Stück in ihrer Achtung.
    »Du bist plötzlich so still.«
    Sie konnte sein Gesicht in der Dunkelheit kaum sehen, nur die harte Miene, die Schatten in den Augenhöhlen und unter den Wangenknochen. »Hab wahrscheinlich einfach nichts zu sagen.«
    »Hat dich früher auch nicht gestört.«
    »Tja. Ich sehe eben alles Mögliche anders.«
    »Tatsächlich?«
    »Du glaubst ja vielleicht, mir fällt das leicht, aber es ist ziemlich mühsam, immer so viel Hoffnung zu haben. Eine Mühe, die sich zudem nicht zu lohnen scheint.«
    »Ich dachte, es sei eine Belohnung an sich, ein besserer Mensch zu werden.«
    »Bei so viel Mühe ist es nicht genügend Lohn. Falls es dir nicht aufgefallen ist, wir sind mitten in einem Krieg.«
    »Glaub mir, ich weiß, wie ein Krieg aussieht. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens mittendrin verbracht.«
    »Na und, was ist daran so besonders? Ich auch. Nach dem, was ich gesehen habe, und ich habe ziemlich viel gesehen, bietet der Krieg nicht gerade die beste Gelegenheit, um ein besserer Mensch zu werden. Ich denke, ich versuche es vielleicht ab jetzt auf deine Weise.«
    »Da suche man sich doch einen Gott und preise ihn! Willkommen in der wahren Welt.« Sie war sich nicht sicher, ob sie trotz ihres Grinsens nicht doch einen Hauch Enttäuschung fühlte. Monza mochte es vielleicht schon seit langer Zeit aufgegeben haben, ein anständiger Mensch zu sein, aber irgendwie hatte ihr die Idee gefallen, dass sie im Zweifelsfall zumindest einen benennen konnte. Sie zügelte ihr Pferd, und der Wagen kam hinter ihr ratternd zum Stehen. »Wir sind da.«
    Das Haus, das sie und Benna in Visserine gekauft hatten, war alt und schon zu der Zeit gebaut worden, als die Stadt noch keine gute Befestigungsmauer besessen und reiche Leute daher selbst für den Schutz ihres Eigentums gesorgt hatten. Es war ein steinerner, fünfstöckiger Turmbau mit Saal und Ställen auf einer Seite, schießschartenähnlichen Fenstern im Erdgeschoss und einer Brustwehr auf dem Dach. Groß und schwarz ragte er gegen den dunklen Himmel auf und unterschied sich stark von den niedrigen Gebäuden, die sich teils gemauert, teils in Fachwerkbauweise errichtet, in seiner Nähe duckten. Sie hob den Schlüssel zur beschlagenen Tür, dann runzelte sie die Stirn. Die Tür stand einen Spaltbreit offen und Licht drang auf das rohe Mauerwerk. Sie legte den Finger auf die Lippen und deutete auf den hellen Streifen.
    Espe hob seinen

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