Racheklingen
Cosca ihm ins Ohr.
»Heiß?«
»Ich habe es allerdings schon heißer erlebt. Die Bresche von Muris war das reinste Schlachtfest, als wir fertig waren!«
Freundlich bekam die Worte kaum über die Lippen, so sehr drehte sich ihm der Kopf. »Du warst … mittendrin?«
Cosca tat das mit einer Handbewegung ab. »Ein paar Mal. Aber wenn man nicht gerade völlig bescheuert ist, dann bekommt man das schnell über. Sieht ja vielleicht ganz lustig aus, aber eine Bresche ist kein Ort für einen Edelmann.«
»Woher wissen die, wer auf welcher Seite kämpft?«, zischte Freundlich.
Coscas Grinsen schimmerte hell in seinem rußverschmierten Gesicht. »Überwiegend reine Vermutung. Man versucht, möglichst nicht die Richtung zu verlieren, und hofft auf das … ah.«
Aus dem allgemeinen Gemetzel hatte sich ein kleines Grüppchen abgespalten und stürmte schwer bewaffnet vor. Freundlich konnte nicht sagen, ob es sich um Belagerer oder um Belagerte handelte; ihm erschienen sie nicht einmal menschlich. Er wandte sich um und sah, dass aus der entgegengesetzten Richtung eine Wand aus Speeren heranrückte. Das tanzende Licht brach sich auf stumpfem Metall und zuckte über steinerne Gesichter. Keine einzelnen Männer, sondern eine Maschine, die zum Töten erdacht worden war.
»Hier entlang!« Freundlich fühlte, wie eine Hand seinen Arm packte und ihn durch einen verschütteten Eingang hinter eine wacklige Mauer schubste. Er stolperte, strauchelte, geriet ins Trudeln. Halb rutschte, halb rannte er über einen Berg aus Schutt und durch eine Wolke erstickender Asche, bis er schließlich neben Cosca auf dem Bauch lag, um zu den Kämpfenden auf der Straße hochzusehen. Männer prallten aufeinander, töteten und starben in einem formlosen Zornesbrei. Über ihre Schreie, ihr wütendes Gebrüll, das Krachen und Kreischen von Metall hörte Freundlich noch etwas anderes. Er sah zur Seite. Cosca war auf die Knie gesunken und schüttelte sich vor kaum verhohlener Heiterkeit.
»Lachst du etwa?«
Der alte Söldner wischte sich mit einem rußigen Finger die Augen. »Was sollte man denn sonst tun?«
Sie befanden sich in einer Senke voller Schutt. Eine Straße? Ein trockengelegter Kanal? Eine Abwasserrinne? Zerlumpte Menschen mühten sich durch die Trümmer. Nicht weit entfernt lag ein Toter auf dem Bauch. Eine Frau kniete mit gezücktem Messer neben der Leiche und war damit beschäftigt, die Finger von der schlaffen Hand zu schneiden, um an die Ringe heranzukommen.
»Weg von dem Toten!« Cosca machte einen Satz auf sie zu und zog den Degen.
»Der gehört uns!« Ein dürrer Mann mit verfilztem Haar und einem Knüppel in der Hand.
»Nein.« Cosca holte zum Schlag aus. »Der gehört uns.« Er machte einen Schritt nach vorn, und der Plünderer wich zurück und rutschte gegen einen verkohlten Busch. Die Frau hatte endlich den Knochen durchtrennt, zog den Ring ab und steckte ihn sich in die Tasche; den Finger schleuderte sie mit einer Salve von Flüchen zu Cosca hinüber, und dann verschwand sie in der Dunkelheit.
Der alte Söldner sah ihnen nach und wog den Degen in der Hand. »Es ist ein Talineser. Also her mit seinen Sachen!«
Freundlich kroch wie betäubt herbei und begann, die Rüstung des Toten zu lösen. Er zog den Rückenpanzer ab und stopfte ihn in seinen Sack.
»Schnell, mein Freund, bevor diese Kanalratten zurückkehren.«
Freundlich war selbst nicht daran gelegen, die Sache zu verzögern, aber seine Hände zitterten. Er wusste nicht, warum. Gewöhnlich taten sie das nicht. Er schnallte die Beinschienen des Mannes ab, dann den Brustpanzer, und steckte beides scheppernd zu den anderen Sachen. Damit hatten sie vier Rüstungen. Drei plus eins. Noch einmal drei, und dann hätten sie eine für jeden. Und vielleicht konnten sie dann Ganmark töten und alles war erledigt, und er könnte wieder zurück nach Talins und in Sajaams Höhle die Münzen beim Kartenspielen zählen. Wie glücklich erschienen ihm diese Zeiten nun im Rückblick. Er streckte die Hand aus und brach den Flachbogenbolzen ab, der im Hals des Mannes steckte.
»Hilf mir.« Es war kaum mehr als ein Flüstern. Freundlich fragte sich, ob er sich das eingebildet hatte. Dann sah er, dass die Augen des Soldaten weit offen standen. Wieder bewegten sich seine Lippen. »Hilf mir.«
»Wie denn?«, flüsterte Freundlich zurück. Er löste die Haken und Ösen der gesteppten Jacke und zog sie ihm so sanft wie möglich aus, zerrte den Ärmel vorsichtig über die blutenden Stümpfe der
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