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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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jetzt?« Eine einzelne Gestalt marschierte kühn auf das Tor zu. Morveer fühlte, wie ihm noch klammer zumute wurde. Der federnde Schritt war nicht zu verkennen. »
Cosca.
Was hat dieser fürchterliche alte Säufer vor?«
    »Wer weiß schon, was durch seinen schrundigen Kopf geht?«
    Der Söldner schritt den Wachen entgegen, als sei es sein Palast und nicht der von Herzog Salier, und er winkte mit einem Arm. Morveer konnte seine Stimme auf dem Seufzen des Windes vernehmen, verstand aber kein einziges Wort. »Was sagen sie?«
    »Sie könnten nicht von den Lippen lesen?«
    »Nein.«
    »Schön, dass es auch etwas gibt, worin Sie kein anerkannter Meister sind. Die Wachen fragen nach seinem Begehr.«
    »Natürlich!« Das war deutlich an den Hellebarden zu erkennen, die auf Coscas Brust gerichtet waren. Der alte Söldner nahm den Hut ab und verbeugte sich tief.
    »Er sagt … mein Name ist Nicomo Cosca … der berühmte Glücksritter … und ich komme …« Sie ließ das Fernrohr sinken und runzelte die Stirn.
    »Ja?«
    Vitaris Augen glitten zu Morveer hinüber. »Und ich komme zum Abendessen.«

DUNKELHEIT
    Völlige Düsternis. Monza öffnete die Augen weit, kniff sie wieder zusammen und versuchte etwas zu sehen, aber vor ihr war nur kribbelnde, völlige Schwärze. Sie hätte nicht einmal die Hand vor ihren Augen sehen können. Allerdings konnte sie ihre Hand gar nicht bis vor ihre Augen, und auch nicht woanders hin bewegen.
    Man hatte ihre Handgelenke an die Decke gekettet und ihre Fußknöchel an den Boden. Wenn sie schlaff da hing, berührten ihre Füße gerade eben die klammen Steine. Wenn sie sich auf Zehenspitzen stellte, konnte sie den pochenden Schmerz ein winziges bisschen lindern, der in ihren Armen, ihren Rippen und in ihren Hüften wütete. Es dauerte jedoch nicht lange, und dann begannen ihre Wadenbeine zu schmerzen, und es wurde schlimmer und schlimmer, bis sie wieder loslassen und sich von den abgeschürften Handgelenken hängen lassen musste. Es war schmerzhaft, erniedrigend und furchterregend, aber das Schlimmste daran war – sie wusste, dass ihre Lage geradezu hervorragend war, verglichen mit dem, was noch kommen würde.
    Sie wusste nicht genau, wo Day sich befand. Wahrscheinlich hatte sie mit den Wimpern ihrer runden Augen geklimpert, ein paar Krokodilstränen vergossen und beteuert, dass sie von nichts gewusst hatte, und man hatte ihr geglaubt. Sie hatte ein Gesicht, dem die Leute alles glaubten. Auf so etwas hatte sich Monza niemals verlassen können. Aber wahrscheinlich hatte sie so ein Gesicht auch nicht verdient. Espe rührte sich irgendwo in der tintenschwarzen Dunkelheit, Metall rasselte, wenn er an seinen Ketten rührte, und er fluchte erst auf Nordisch, dann auf Styrisch. »Scheiß Styrien. Scheiß Vossula. Scheiße. Scheiße.«
    »Hör auf!«, zischte sie ihn an. »Besser, du hebst dir deine Kraft … ich weiß auch nicht … für später auf.«
    »Kraft wird uns dann also was helfen, meinst du?«
    Sie schluckte. »Schadet zumindest nichts.« Kraft würde ihnen gar nichts helfen. Nichts konnte ihnen helfen.
    »Bei den Toten, ich muss pinkeln.«
    »Dann pinkel halt«, fauchte sie ins Dunkle hinein. »Was macht das schon?«
    Ein Stöhnen. Das Geräusch von Flüssigkeit, die auf Stein traf. Sie hätte es ihm gern nachgemacht, wenn sich ihre Blase nicht so sehr vor Angst zusammengekrampft hätte. Wieder hob sie sich auf die Zehen, und mit jedem Atemzug fuhr Schmerz durch ihre Beine, Handgelenke, Arme, Seiten.
    »Hast du einen Plan?« Espes Worte versanken vor ihr und starben in der Totenluft.
    »Was für einen Scheißplan sollte ich denn wohl haben? Sie glauben, wir seien Spione, die in ihrer Stadt für den Feind gearbeitet haben. Davon sind sie überzeugt! Sie werden versuchen, uns zum Sprechen zu bringen, und wenn wir ihnen nicht das sagen können, was sie hören wollen, dann werden sie uns verdammt noch mal umbringen!« Ein tierisches Knurren, noch mehr Gerassel. »Glaubst du, sie haben nicht eingeplant, dass du versuchen wirst, dich da rauszuwinden?«
    »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?« Seine Stimme klang schrill, als würde er gleich aufschluchzen. »Hier hängen und darauf warten, dass sie uns in Stücke schneiden?«
    »Ich …« Überraschend fühlte sie den unvertrauten Druck der Tränen hinten in der eigenen Kehle. Sie hatte nicht die geringste Idee, wie sie aus dieser Klemme herauskommen sollten. Konnte man denn noch hilfloser sein als in einem unterirdischen Verlies in

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