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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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unter der Bank hervor und schob es ihr stützend unter den Kopf, bewegte sie dabei so gefühllos wie ein Metzger, der Fleisch auf dem Tresen ausbreitete, und er richtete ihr Kinn so aus, dass sie an sich hinuntersehen konnte. Und so blieb ihr keine andere Wahl. Ihr Körper war eine unförmige Gestalt unter einer groben, grauen Decke, und drei Lederriemen schlangen sich um ihre Brust, Hüften und Knöchel.
    »Die Gurte sind zu deinem eigenen Schutz. Um zu verhindern, dass du beim Schlafen von der Bank rollst.« Er stieß ein abgehacktes Kichern aus. »Wir wollen ja nicht, dass du dir etwas brichst, oder? Ha … ha! Wollen ja nicht, dass du dir was brichst.« Er löste die Schnallen des letzten Riemens und nahm die Decke zwischen Daumen und Zeigefinger, während sie an sich herunterstarrte und gleichzeitig unbedingt wissen wollte, was mit ihr passiert war, und dann lieber doch nicht.
    Er schlug die Decke zurück wie ein Schausteller, der seine beste Ware präsentiert.
    Sie erkannte ihren eigenen Körper kaum wieder. Splitterfasernackt, ausgemergelt und verdorrt wie ein Bettler. Blasse Haut streckte sich über hässlich hervorstehende Knochen, überall mit großen Blutergüssen verziert, schwarz, braun, violett, gelb. Ihre Augen glitten über ihr verwittertes Fleisch, und sie weiteten sich immer mehr, als sie das ganze Bild erfassten. Sie war überall aufgeschlitzt und voller roter Linien. Dunkel und zornig, gezahnt mit aufgeworfenem rosafarbenem Fleisch, mit den kleinen Punkten der gezogenen Fäden verziert. Vier Linien, eine über der anderen, folgten den Bogen ihrer hervortretenden Rippen auf der einen Seite. Weitere zogen sich über ihre Hüften, an ihren Beinen entlang, über den rechten Arm, den linken Fuß.
    Sie hatte zu zittern begonnen. Dieser zerstückelte Kadaver konnte nicht ihr Körper sein. Pfeifend zischte ihr Atem durch ihre klappernden Zähne, und der fleckige und verschrumpelte Brustkorb hob und senkte sich in diesem Rhythmus. »Uh«, stöhnte sie. »Uh …«
    »Ich weiß! Beeindruckend, oder?« Er beugte sich über sie und zog die roten Streifen auf ihrer Brust mit ruckartigen Handbewegungen nach. »Die Rippen hier und auch das Brustbein waren ziemlich zertrümmert. Es war unumgänglich, ein paar Schnitte zu machen, um sie wieder zu richten, verstehst du, und um die Lunge zu retten. Ich habe versucht, so wenig wie möglich zu schneiden, aber du siehst ja, dass der Schaden …«
    »Uh …«
    »Auf die linke Hüfte bin ich besonders stolz.« Er deutete auf eine rote Zickzacklinie, die von der Seite ihres eingefallenen Bauches bis zur Innenseite ihres dürren Oberschenkels führte und auf beiden Seiten von roten Punkten eingefasst war. »Der Oberschenkelknochen hier war leider zersplittert.« Er machte ein schnalzendes Geräusch und bohrte einen Finger in die geballte Faust. »Dadurch ist das Bein ein Stückchen kürzer geworden, aber glücklicherweise war das Schienbein auf der anderen Seite auch gebrochen, und so konnte ich dort ein winziges Knochenstück entfernen, um den Unterschied auszugleichen.« Mit gerunzelter Stirn führte er ihre Knie zueinander und sah zu, wie sie anschließend kraftlos wieder nach außen fielen. »Ein Knie ist nun etwas höher als das andere, und du bist nicht mehr ganz so groß, aber alles in allem –«
    »Uh …«
    »Es ist alles zusammengewachsen.« Er grinste und betastete die verschrumpelten Beine, vom oberen Rand der Oberschenkel bis hin zu den knotigen Knöcheln. Sie sah ihm zu, wie er sie berührte, wie ein Koch, der ein gerupftes Huhn prüft, aber sie spürte es kaum. »Alles schön zusammengewachsen, und die Schrauben sind auch wieder raus. Ein Wunder, glaub mir. Wenn die Zweifler von der Akademie das hier begutachten würden, sie würden nicht mehr lachen. Wenn mein alter Meister das doch nur sehen könnte, selbst er würde …«
    »Uh …« Langsam hob sie die rechte Hand. Oder vielmehr die zitternde Verhöhnung einer Hand, die vom Ende ihres Arms hing. Die Innenfläche war krumm, eingefallen, und eine lange, hässliche Narbe verlief dort, wo Gobbas Draht sich hineingebohrt hatte. Die Finger waren so verkrümmt wie Baumwurzeln, und der kleinste stand in einem seltsamen Winkel ab. Ihr Atem zischte durch die zusammengebissenen Zähne, als sie versuchte, die Hand zur Faust zu ballen. Die Finger bewegten sich kaum, aber der Schmerz schoss dennoch ihren Arm hinauf und ließ ihr die Galle die Kehle hinaufsteigen.
    »Besser konnte ich es nicht hinbekommen. Kleine

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