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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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meinte nur … nun ja …« Scopal räusperte sich und steuerte auf seine Regale zu. »Gegenwärtig gehe ich beim Erstellen einer Okularprothese so vor …«
    »Bei was, zur Hölle?«
    »Bei einem falschen Auge«, erklärte Monza.
    »Oh, es ist viel, viel mehr als das.« Scopal zog ein hölzernes Gestell davor. Sechs Metallbälle ruhten darauf, die silberhell glänzten. »Eine perfekte Kugel aus bestem Midderland-Stahl wird in die Augenhöhle eingesetzt, wo sie dann hoffentlich dauerhaft verbleiben kann.« Er zog ein rundes Brett herab und schob es mit großer Geste zu ihnen hinüber. Es war mit Augen bedeckt. Blauen, grünen, braunen. Sie alle hatten die Farbe und den Schimmer echter Augen, und bei einigen verlief im Weiß sogar das eine oder andere rote Äderchen. Und dennoch sahen sie ungefähr so sehr nach einem Auge aus wie ein gekochtes Ei.
    Scopal deutete mit großer Selbstzufriedenheit auf seine Ware. »Eine gebogene Emailschicht wie diese hier, die mit aller Sorgfalt so bemalt wurde, dass sie genau zum anderen Auge passt, wird zwischen Metallkugel und Augenlid geschoben. Sie nutzt im Laufe der Zeit leider ab und muss von daher regelmäßig ersetzt werden, aber glauben Sie mir, das Ergebnis kann erstaunlich sein.«
    Die falschen Augen starrten Espe, ohne zu blinzeln, an. »Sie sehen aus wie die Augen von Toten.«
    Eine unbehagliche Pause. »Wenn sie auf ein solches Brett geklebt sind, natürlich, aber wenn sie perfekt in ein lebendes Gesicht eingepasst wurden …«
    »Ist eine gute Sache, würde ich sagen. Tote lügen nicht, was? Also keine Lügen mehr.« Espe schritt zur Rückseite des Ladens, setzte sich auf den Stuhl, streckte sich aus und überkreuzte die Beine. »Dann legen Sie mal los.«
    »Jetzt sofort?«
    »Warum nicht?«
    »Das Anpassen der Stahlkugel dauert etwa ein bis zwei Stunden. Um eine passende Emailschicht herzustellen, benötigt man mindestens vierzehn Tage …« Monza warf einen Haufen Silbermünzen auf den Ladentisch, die mit leisem Klingen auf dem Marmor auseinanderstoben. Scopal nickte unterwürfig. »Ich werde diejenige heraussuchen, die am ehesten passt, und alles andere bis morgen Abend fertig machen.« Er drehte den Docht der Lampe höher, bis sie so hell schien, dass Espe sein gesundes Auge mit einer Hand beschatten musste. »Es wird unvermeidlich sein, eine kleine Operation an der Höhlung durchzuführen.«
    »Was zu machen?«
    »Sie aufzuschneiden«, sagte Monza.
    »Na klar doch. Die meisten Dinge im Leben, die sich wirklich lohnen, haben was mit Klingen zu tun, oder?«
    Scopal sortierte die Instrumente auf dem kleinen Tischchen. »Gefolgt von einigen Stichen, dem Abtragen nutzlosen Fleisches …«
    »Das verrottete Holz abschlagen? Bin ich absolut dafür. Danach kann man neu anfangen.«
    »Dürfte ich vorher ein kleines Pfeifchen vorschlagen?«
    »Scheiße, ja«, hörte er Monza flüstern.
    »Können Sie gerne, klar«, sagte Espe. »Seit den letzten paar Wochen langweilt mich Schmerz ganz schön.«
    Der Augenmacher beugte den Kopf und wuselte davon, um die Pfeife zu stopfen. »Ich erinnere mich noch daran, wie dir die Haare geschnitten wurden«, sagte Monza. »Du warst nervös wie ein Lamm vor der ersten Schur.«
    »Hehe. Stimmt.«
    »Und jetzt sieh dich an, jetzt kannst du es kaum erwarten, ein neues Auge angepasst zu bekommen.«
    »Ein weiser Mann hat mir einmal gesagt, dass man realistisch sein muss. Komisch, wie schnell wir uns ändern können, wenn wir müssen, nicht wahr?«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Verändere dich nicht zu sehr. Ich muss los.«
    »Wird dir etwa schlecht, wenn du beim Augenmachen zusehen sollst?«
    »Ich muss eine Bekanntschaft erneuern.«
    »Ein alter Freund?«
    »Ein alter Feind.«
    Espe grinste. »Liegt einem noch mehr am Herzen, was? Pass auf, dass man dich nicht umbringt, ja?« Damit lehnte er sich im Sessel zurück und zog den Riemen um seine Stirn fest. »Wir haben noch einiges an Arbeit vor uns.« Er schloss sein gesundes Auge, und das Lampenlicht drang rosa durch sein Lid.

DER FÜRST DER VORSICHT
    Großherzog Rogont hatte sein Hauptquartier im kaiserlichen Badehaus aufgeschlagen. Das Gebäude zählte noch immer zu den größten in Puranti und überschattete die Hälfte des Platzes, der östlich der alten Brücke lag. Aber wie der Rest der Stadt hatte auch dieses Haus bessere Zeiten gesehen. Ein Teil des Giebels und zwei der sechs mächtigen Säulen, die ihn einmal getragen hatten, waren schon vor Generationen zusammengebrochen, und die

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