Racheklingen
Steine hatte man für die schlecht zusammengefügten Mauern neuerer, weniger großzügiger Gebäude weggetragen. Das fleckige Mauerwerk war mit Gras, abgestorbenem Efeu und sogar einigen hartnäckigen kleinen Bäumen bewachsen. Wahrscheinlich hatte man den Bädern zur Zeit ihrer Entstehung größere Bedeutung beigemessen, bevor man in Styrien dazu übergegangen war, sich hauptsächlich gegenseitig umbringen zu wollen. Glückliche Zeiten, da es die größte Sorge der Menschen war, das Wasser warm genug zu halten. Das verfallende Gebäude sprach flüsternd von den ruhmreichen Jahren längst vergangener Zeiten, aber es dokumentierte gleichzeitig Styriens langen Niedergang.
Oder hätte es dokumentiert, wenn Monza einen Scheiß auf so etwas gegeben hätte.
Es waren andere Dinge, die sie beschäftigten. Sie wartete darauf, dass sich beim Rückzug von Rogonts Heer eine Lücke zwischen einer vorübermarschierenden Kompanie und der nächsten ergab, nahm die Schultern zurück und stolzierte über den Platz. Dann schritt sie die gesprungenen Stufen des Badehauses hinauf und versuchte dabei, so lässig und selbstbewusst wie früher zu gehen, obwohl ihr verkrüppelter Hüftknochen in seinem Gelenk knackte und Stiche durch ihren Hintern schickte. Sie schob die Kapuze zurück und richtete die Augen fest auf den vordersten Wachmann, einen grauhaarigen Altgedienten, breit gebaut wie ein Scheunentor, mit einer Narbe auf einer farblosen Wange.
»Ich muss mit Herzog Rogont sprechen«, sagte sie.
»Natürlich.«
»Ich bin Mon… was?« Sie hatte erwartet, jede Menge erklären zu müssen. Wahrscheinlich ausgelacht oder an einem der Pfeiler aufgeknüpft zu werden. Aber nicht hereingebeten.
»Sie sind Generalin Murcatto.« Der Mann verzog seinen Mund auf eine Weise, die ein wenig an ein Lächeln gemahnte. »Und Sie werden erwartet. Den Degen muss ich Ihnen aber einstweilen abnehmen.« Sie machte ein finsteres Gesicht, als sie ihm die Klinge reichte, und ihr gefiel das Ganze weniger, als wenn man sie mit Tritten die Straße hinuntergejagt hätte.
In der marmornen Halle befand sich ein großes, von hohen Säulen umstandenes Becken, dessen Wasser deutlich faulig roch. Ihr alter Feind Großherzog Rogont, in schlichter grüner Uniform, grübelte mit nachdenklich gespitzten Lippen über einer Karte, die auf einem Klapptisch lag. Um ihn scharte sich ein Dutzend Offiziere, die genug Goldfäden am Leib hatten, um ein Frachtschiff damit aufzutakeln. Einige von ihnen sahen auf, als sie an dem stinkenden Wasser vorbei auf sie zuging.
»Das ist sie«, hörte sie einen sagen, der die Lippen verächtlich schürzte.
»Mur … cat … to«, raunte ein anderer, als sei ihr Name Gift. Für diese Männer war das sicherlich auch so. Denn sie waren es, die sie die letzten Jahre zum Narren gehalten hatte, und je mehr sich ein Mann zum Narren macht, desto weniger möchte er wie ein Narr aussehen. Dennoch:
Der General mit der kleinsten Truppe ist stets gut beraten, in der Offensive zu bleiben,
hieß es bei Stolicus. Also schritt sie ohne erkennbare Eile weiter, den Daumen ihrer verbundenen linken Hand locker in den Gürtel gehängt, als sei dies hier ihr Bad und sie diejenige, die über alle Klingen gebot.
»Wenn das hier nicht der Fürst der Vorsicht ist, Herzog Rogont. Wohl getroffen, Euer Bedachtsamkeit. Eine stolz dreinblickende Gruppe von Kameraden haben Sie hier um sich geschart, wenn man bedenkt, dass diese Männer sieben Jahre lang den Rückzug geprobt haben. Aber immerhin sind Sie ja heute nicht auf dem Rückmarsch.« Das ließ sie einen Augenblick einwirken. »Ach, warten Sie. Sind Sie ja doch.«
Einige Offiziere reckten prompt hochmütig das Kinn vor, und ein oder zwei blähten die Nasenflügel. Aber die dunklen Augen Rogonts hoben sich unaufgeregt von der Karte, vielleicht ein wenig müde, aber immer noch aufreizend gut aussehend und gelassen. »Generalin Murcatto, welch ein Vergnügen! Ich wünschte, wir hätten uns nach einer großen Schlacht treffen können, und am liebsten hätte ich Sie dann als unterwürfige Gefangene vor mir gesehen, aber meine Siege waren leider nicht sehr zahlreich.«
»So selten wie Sommerschnee.«
»Während Sie in Ruhm gewandet wurden. Ich fühle mich unter Ihrem Siegerblick geradezu nackt.« Er warf einen Blick zum Ende des Saales. »Aber wo sind jetzt nur Ihre alles erobernden Tausend Klingen?«
Monza fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Der Getreue Carpi hat sie sich von mir ausgeliehen.«
»Ohne zu
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