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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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ins Gesicht. Die Flamme flackerte und ging aus. Sie verharrte wie erstarrt, die Augen auf die erloschene Lampe gerichtet; erst mit schmerzlicher Verwirrung, dann mit verschwitzter Ungläubigkeit. Ihr Gesicht wurde schlaff vor Entsetzen, als sich die Bedeutung dieser Tatsache bis in ihren pochenden Kopf hineinbohrte.
    Keine Flamme. Kein Zug Spreu. Kein Weg zurück.
    Sie sprang auf, trat auf die Brüstung zu und schleuderte die Lampe mit aller Kraft über die Stadt hinaus. Sie warf den Kopf zurück, holte tief Luft, packte das Geländer, zog sich mit einem Ruck nach vorn und schrie sich die Lunge aus dem Hals. Schrie ihren ganzen Hass der Lampe entgegen, die in die Tiefe trudelte, dem Wind, der sie ausgeblasen hatte, der Stadt, die sich unter ihr erstreckte, dem Tal dahinter, der Welt und allen, die in ihr lebten.
    Weit entfernt kroch die zornige Sonne allmählich hinter den Bergen hervor und tauchte den Himmel über den düsteren Hängen in Blut.

AUSGEZAUDERT
    Cosca stand vor dem Spiegel und rückte seinen schönen Spitzenkragen zurecht, drehte die fünf Ringe an seinen Fingern so, dass die Edelsteine genau nach außen zeigten, und richtete jedes Barthaar zu seiner Zufriedenheit aus. Er hatte nach Freundlichs Rechnung ungefähr eineinhalb Stunden gebraucht, um sich in Schale zu werfen. Zwölf Striche des Rasiermessers gegen den Streichriemen. Einunddreißig Bewegungen, um die Stoppeln zu rasieren. Eine winzige Scharte blieb unter seinem Kinn. Dreizehn Zupfer mit der Pinzette, um die Nasenhaare auszureißen. Fünfundvierzig Knöpfe zuzuknöpfen. Vier Verbindungen aus Haken und Ösen. Achtzehn Riemen festzuziehen und Schnallen zu schließen.
    »Und jetzt ist alles fertig. Meister Freundlich, ich möchte, dass du den Posten des Ersten Feldwebels der Kompanie übernimmst.«
    »Ich verstehe nichts vom Krieg.« Er wusste nur, dass Krieg Irrsinn war und ihn völlig aus der Bahn warf.
    »Du musst auch nichts davon verstehen. Deine Rolle umfasst, in meiner Nähe zu bleiben – schweigsam, aber unheimlich –, mir, wenn nötig, zu folgen, und vor allem mir und dir den Rücken freizuhalten. Die Welt ist voller Verrat, mein Freund! Es wird sicher auch die eine oder andere blutige Aufgabe anfallen, und gelegentlich muss das Geld, das ausgegeben und eingenommen wird, gezählt und ein Inventar der Männer, Waffen und Versorgungsgüter angelegt werden, die uns zur Verfügung stehen …«
    Das war in jeder Hinsicht genau das, was Freundlich für Sajaam erledigt hatte, erst in der Sicherheit, dann draußen. »Das kann ich.«
    »Besser als jeder andere lebende Mann, daran würde ich niemals zweifeln! Könntest du damit anfangen, indem du diese Schnalle für mich festziehst? Verdammte Waffenschmiede. Ich bin sicher, sie haben diese Dinger nur deswegen an dieser Stelle angebracht, um mich zu ärgern.« Er deutete mit dem Daumen auf die seitliche Befestigung seines vergoldeten Brustpanzers, stellte sich aufrecht hin und hielt die Luft an, zog den Bauch ein, als Freundlich sich an der Schnalle zu schaffen machte. »Ich danke dir, mein Freund, du bist ein Fels! Ein Anker! Eine ruhende Achse, um die ich wild herumkreise. Was täte ich ohne dich?«
    Freundlich verstand die Frage nicht. »Dasselbe.«
    »Nein, nein. Nicht dasselbe. Obwohl wir uns noch nicht so lange kennen, habe ich das Gefühl, dass es zwischen uns … ein Übereinkommen gibt. Ein Band. Wir sind uns sehr ähnlich, du und ich.«
    Freundlich hatte manchmal das Gefühl, dass ihm jedes Wort, das er sprechen sollte, jede Person, die ihm neu vorgestellt wurde, und jeder neue Ort Angst einjagte. Nur indem er alles und jedes zählte, gelang es ihm, sich vom Morgen bis zur Nacht durchzubeißen. Cosca hingegen trieb mühelos dahin wie eine Blüte im Wind. Die Art, wie er redete, lächelte, lachte und andere dazu bringen konnte, dasselbe zu tun, erschien Freundlich ebenso magisch wie diese gurkhisische Frau, Ischri, wenn sie so plötzlich aus dem Nichts auftauchte. »Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich.«
    »Du verstehst genau, was ich meine! Wir sind völlig gegensätzlich, wie Erde und Luft, und dennoch … fehlt uns beiden etwas … das andere als ganz selbstverständlich betrachten. Ein Teil jener Maschinerie, die einem Menschen dabei hilft, sich in die Gemeinschaft einzufügen. Uns beiden fehlen verschiedene Zahnrädchen zu diesem Apparat. Genug, damit wir vielleicht, wenn wir uns zusammentun, einen halbwegs anständigen Menschen ergeben könnten.«
    »Einen ganzen aus zwei

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