Racheklingen
Richtplatz marschieren. Vielleicht hatte er gute Eigenschaften, die sich mir nicht erschlossen. Ich bin sicher, seine Mutter würde das behaupten. Aber wir sind in einer Schlacht. Da sind Tote unvermeidlich.« Er ging zur Zelttür, sammelte sich einen Augenblick und riss sie dann entschieden beiseite. »Hilfe! Wir brauchen hier Hilfe! Um Himmels willen, zu Hilfe!«
Er eilte zu Andiche zurück und kniete sich neben den Toten, erst auf die eine, dann auf die andere Weise, bis er die Haltung gefunden hatte, die ihm den meisten Eindruck zu machen versprach, als Sesaria auch bereits ins Zelt stürmte.
»Beim Atem Gottes!«, rief er angesichts der beiden Leichen aus. Hinter ihm drängte sich Victus herein.
»Andiche!« Cosca deutete auf Rigrats Degen, der immer noch dort steckte, wo er ihn zurückgelassen hatte. »Durchbohrt!« Er hatte beobachtet, dass Menschen häufig ganz offensichtliche Dinge äußerten, wenn sie aufgewühlt waren.
»Hol doch jemand einen Feldscher!«, brüllte Victus.
»Oder besser noch einen Priester«, schlug Ischri vor, die ihnen entgegenschlenderte. »Er ist tot.«
»Was ist geschehen?«
»Oberst Rigrat hat ihn erstochen.«
»Wer, zur Hölle, sind Sie?«
»Ischri.«
»Er war ein großartiger Kerl!« Sanft berührte Cosca Andiches blutbespritztes Gesicht mit den aufgerissenen Augen und dem weit offen stehenden Mund. »Ein wahrer Freund. Er trat dazwischen, bevor der Stoß mich treffen konnte.«
»Das hat Andiche getan?« Sesaria sah wenig überzeugt aus.
»Er gab sein Leben … um meines zu retten.« Coscas Stimme brach ein wenig und verhallte ins Nichts, und er drückte schnell eine Träne aus dem Augenwinkel. »Den Schicksalsgöttinnen sei Dank, dass Feldwebel Freundlich so schnell zur Stelle war, sonst wäre ich auch erledigt gewesen.« Er trommelte auf Andiches Brust, und seine Faust schlug schwer auf die warme, blutdurchtränkte Jacke. »Meine Schuld! Meine Schuld! Ich allein trage die Schuld dafür!«
»Wieso?«, fauchte Victus, der Rigrats Leiche anstarrte. »Ich meine, wieso hat dieser Dreckskerl das getan?«
»Meine Schuld!«, heulte Cosca. »Ich habe Geld von Rogont angenommen, damit ich mich aus den Kämpfen heraushalte!«
Sesaria und Victus tauschten einen Blick. »Du hast Geld dafür bekommen … um nicht einzugreifen?«
»Eine enorme Summe! Sie wird natürlich dem Rang entsprechend aufgeteilt werden.« Cosca machte eine Handbewegung, als sei das angesichts der Ereignisse kaum noch von Bedeutung. »Gefahrenzulage für jeden Mann, in gurkhisischem Gold.«
»Gold?«, grollte Sesaria, dessen Augenbrauen in die Höhe fuhren, als hätte Cosca ein Zauberwort gesagt.
»Aber ich würde es alles im Ozean versenken, wenn ich dafür nur noch eine Minute in der Gesellschaft meines lieben Freundes zubringen könnte! Ihn noch einmal sprechen, ihn noch einmal lächeln sehen könnte! Aber das wird nie wieder geschehen. Nie wieder …« Cosca nahm seinen Hut ab, legte ihn vorsichtig auf Andiches Gesicht und ließ den Kopf hängen. »Er wird auf ewig schweigen.«
Victus räusperte sich. »Von wie viel Gold reden wir denn genau?«
»Von einer … riesigen … Menge.« Cosca erschauerte schniefend. »Noch einmal so viel, wie Orso uns dafür zahlte, dass wir ihn unterstützen.«
»Andiche tot. Das ist ein hoher Preis dafür.« Aber Sesaria sah so aus, als hätte er inzwischen die Vorteile erkannt.
»Ein zu hoher Preis. Viel zu hoch.« Cosca erhob sich langsam. »Meine Freunde … würdet ihr es wohl über euch bringen, das Begräbnis zu veranlassen? Ich muss die Schlacht beobachten. Wir müssen uns weitermühen. Aber es gibt wohl doch einen kleinen Trost.«
»Das Geld?«, fragte Victus.
Cosca legte seinen beiden Hauptmännern die Hände auf die Schultern. »Dank meiner Abmachung werden wir nicht kämpfen müssen. Andiche wird das einzige Opfer bleiben, das die Tausend Klingen bei dieser Schlacht zu beklagen haben. Man könnte sagen, er sei für uns gestorben. Feldwebel Freundlich!« Damit wandte sich Cosca um und trat ins helle Sonnenlicht. Ischri glitt ihm schweigend hinterher.
»Eine beeindruckende Vorstellung«, raunte sie leise. »Sie hätten Schauspieler werden sollen anstelle von General.«
»Die beiden Berufe liegen näher beieinander, als Sie sich vorstellen können.« Cosca ging zum Generalhauptmannsstuhl und stützte sich auf die Rückenlehne. Er fühlte sich plötzlich müde und reizbar. Wenn man bedachte, wie lange er davon geträumt hatte, sich für Afieri zu rächen,
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