Racheklingen
berichten, dass hier alles unter Kontrolle ist.« Mauthis’ Stimme war möglicherweise ein ganz leichter Hauch von Panik anzumerken. »Völlig und absolut …«
»Natürlich«, sagte der Mann, der Sulfur genannt worden war, leichthin. »Obwohl ich selten den Eindruck habe, dass unsere Vorgesetzten über den Stand der Dinge ins Bild gesetzt werden müssen. Sie sehen zu. Wenn alles völlig unter Kontrolle ist, dann werden sie, da bin ich sicher, zufrieden sein. Wenn nicht, nun …« Er lächelte Mauthis breit an, dann sah er zu Morveer, und der Giftmischer bemerkte, dass seine Augen von verschiedener Farbe waren, eins blau, eins grün. »Guten Tag.« Damit schritt er von dannen und verlor sich bald in der Menge.
»Kann ich Ihnen helfen?«, knirschte Mauthis. Er sah aus, als ob er noch nie in seinem Leben gelacht hätte und als ob ihm nun für einen letzten Versuch die Zeit davonliefe.
»Ich hoffe doch sehr. Mein Name ist Reevrom, ich bin Kaufmann aus Puranti.« Morveer kicherte innerlich wieder über seinen kleinen Witz, wie immer, wenn er seinen Decknamen benutzte, aber sein Gesicht zeigte lediglich wärmstes Entgegenkommen, als er die Hand ausstreckte.
»Reevrom. Ich habe von Ihrem Haus gehört. Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Mauthis schüttelte die angebotene Hand nicht und hielt sorgfältig gerade so viel Abstand, dass man daran keinen Anstoß nehmen konnte. Offenbar ein vorsichtiger Mann. Nun, das war für ihn auch besser so. Der winzige Stachel an der Unterseite des schweren Rings, den Morveer am Mittelfinger trug, war mit Skorpionsgift in Leopardenblumenlösung präpariert. Der Bankier hätte ihre Unterhaltung in bester Gesundheit hinter sich gebracht, um dann binnen einer Stunde tot umzufallen.
»Dies ist meine Nichte«, fuhr Morveer fort, der sich von dem gescheiterten Versuch nicht im Geringsten entmutigen ließ. »Mir wurde die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, sie einem möglichen Ehegatten vorzustellen.« Day blickte mit perfekt berechneter Schüchternheit unter ihren Wimpern hervor. »Und das ist mein Gehilfe.« Er warf einen Seitenblick auf Freundlich, den der Mann finster erwiderte. »Ich erweise ihm eine zu große Ehre. Mein Leibwächter, Meister Anmutig. Er ist nicht gerade der unterhaltsamste Begleiter, aber wenn es um Leib und Leben geht, dann ist er … nun ja, in Wahrheit taugt er auch da kaum etwas. Aber ich versprach seiner alten Mutter, ihn unter meine Fittiche …«
»Sie sind in einer geschäftlichen Angelegenheit hier?«, näselte Mauthis.
Morveer verbeugte sich. »Wegen einer
beträchtlichen
Einzahlung.«
»Ich bedauere, dass Ihre Begleiter hierbleiben müssen, aber wenn Sie mir bitte folgen wollen, dann würden wir Ihre Einlage natürlich nur zu gern annehmen und Ihnen eine Quittung ausstellen.«
»Meine Nichte darf doch sicherlich …«
»Sie verstehen gewiss, dass wir im Interesse der Sicherheit keinerlei Ausnahmen machen. Ihre Nichte wird hier sehr gut aufgehoben sein.«
»Nun, das wirst du sicherlich, meine Liebe. Meister Anmutig! Die Geldkassette!« Freundlich überreichte die kleine Truhe einem bebrillten Schreiber, der unter dem Gewicht ein wenig in die Knie ging. »Nun warte hier, und stell nichts an!« Morveer stieß einen schweren Seufzer aus, als er Mauthis ins Innere des Gebäudes folgte, als habe er unüberwindliche Schwierigkeiten, ordentliche Dienstboten zu bekommen. »Mein Geld wird hier doch sicher sein?«
»Die Mauern der Bank sind an keiner Stelle weniger als zwölf Fuß dick. Es gibt nur einen Eingang, der tagsüber von einem Dutzend gut bewaffneter Männer bewacht wird und in der Nacht mit drei Schlössern, gefertigt von drei verschiedenen Schmieden, gesichert ist; die Schlüssel tragen drei unterschiedliche Angestellte bei sich. Zwei Gruppen von Männern patrouillieren draußen bis zum Morgen ständig um das Gebäude. Selbst dann wird das Innere ununterbrochen von einem besonders scharfäugigen und erfahrenen Wächter kontrolliert.« Er deutete auf einen gelangweilt aussehenden Mann in einem nietenbesetzten Lederwams, der an einem Schreibtisch an der Seite des Flures saß.
»Er wird eingeschlossen?«
»Jede Nacht.«
Morveer spielte unbehaglich mit seiner Zunge. »
Äußerst
umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen.«
Er zog ein Taschentuch und tat so, als huste er leise hinein. Die Seide war mit Senfwurzel getränkt, einem der zahlreichen Wirkstoffe, gegen die er selbst längst immun geworden war. Er würde lediglich ein paar
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