Racheklingen
Härte in ihrer Stimme. »Erst wird ein Kind krank, dann die anderen, und dann ich. Wer wollte freiwillig Mutter sein, was?«
Espe hob die Brauen. »Ich bin dazu wohl nicht richtig ausgestattet.«
»Hatte nie viel Glück mit Familie«, sagte Monza. »Kannst du uns helfen?«
Vitaris Augen glitten zu Espe, dann wieder zurück. »Wen hast du sonst noch bei dir?«
»Einen Mann namens Freundlich für das Grobe.«
»Ist er gut?«
»Sehr gut«, sagte Espe, der an die beiden Männer dachte, die blutig und zerschlagen auf den Straßen von Talins gelegen hatten. »Allerdings ein bisschen komisch.«
»Muss man in diesem Beruf wohl auch sein. Wen noch?«
»Einen Giftmischer und seine Gehilfin.«
»Einen guten?«
»Wenn man nach ihm geht, ja. Er heißt Morveer.«
»Gah!« Vitari sah aus, als hätte sie plötzlich Pisse geschmeckt. »Castor Morveer? Der Dreckskerl ist so vertrauenswürdig wie ein Skorpion.«
Monza erwiderte ihren Blick hart und gelassen. »Skorpione können nützlich sein. Kannst du uns helfen, möchte ich wissen?«
Vitaris Augen verwandelten sich in zwei Schlitze, die im Feuerschein leuchteten. »Ich kann dir helfen, aber es wird teuer. Irgendetwas gibt mir das Gefühl, dass ich, wenn wir diese Aufgabe erledigt haben, in Sipani nicht mehr gern gesehen sein werde.«
»Geld ist kein Problem, solange du uns in die Nähe der beiden bringen kannst. Kennst du noch jemanden, der dabei helfen könnte?«
Vitari trank ihre Tasse aus und kippte dann die Reste auf die Kohlen. »Oh, ich kenne alle möglichen Leute.«
DIE KUNST WAHRER ÜBERZEUGUNGSKRAFT
Es war noch früh, und die gewundenen Straßen Sipanis lagen ruhig und still da. Monza kauerte in einem Hauseingang, den Mantel um die Schultern gezogen, die Hände unter die Achseln gesteckt. Sie hockte dort schon seit mindestens einer Stunde; ihr wurde allmählich immer kälter, und ihr Atem war weiß wie Reif in der nebligen Luft. Die Ränder ihrer Ohren, und Nasenlöcher kribbelten unangenehm. Es war ein Wunder, dass ihr noch nicht der Rotz in der Nase gefroren war. Aber sie konnte geduldig sein. Es ging auch nicht anders.
Neun Zehntel des Krieges bestehen aus Warten,
hieß es bei Stolicus, und sie hatte das Gefühl, er hätte diese Zahl zu niedrig angesetzt.
Ein Mann kam mit einer Schubkarre an ihr vorbei, auf der Stroh aufgetürmt war. Sein unmelodisches Pfeifen wurde vom allmählich dünner werdenden Nebel gedämpft, und Monza folgte ihm mit ihrem Blick, bis er sich in einen dunklen Umriss verwandelte und schließlich ganz verschwand. Sie wünschte sich, Benna wäre bei ihr.
Und sie wünschte sich, er hätte seine Spreupfeife mitgebracht.
Unruhig fuhr sie sich mit der Zunge durch den trockenen Mund, versuchte den Gedanken wieder aus dem Kopf zu bekommen, aber er saß fest wie ein Splitter unter dem Daumennagel. Das brennende, herrlich beißende Gefühl in den Lungen, der Geschmack des Rauchs, wenn sie ihn aus dem Mund ringeln ließ, die Schwere in ihren Gliedern, die Welt, die plötzlich weichere Umrisse bekam. Der Zweifel, der Zorn und die Angst, die nach und nach versickerten …
Schritte ertönten auf den nassen Gehwegplatten, und zwei Gestalten lösten sich aus der Dunkelheit. Monza straffte sich, ballte die Fäuste, und Schmerz schoss durch ihre verkrüppelten Knöchel. Eine Frau in einem hellroten Mantel, der mit goldener Stickerei verbrämt war. »Beeilen Sie sich!« Der knappe Befehl, in leichtem Unionsakzent erteilt, galt dem Mann, der mit einem schweren Koffer auf einer Schulter hinter ihr herwankte. »Ich will nicht schon wieder zu spät kommen …«
Vitaris schrille Pfeife drang durch die leere Straße. Espe glitt aus einem Hauseingang, baute sich hinter dem Bedienten auf und hielt seine Arme fest. Freundlich erschien aus dem Nichts und versetzte dem Mann vier derbe Schläge in den Bauch, bevor er auch nur schreien konnte, und schickte ihn kotzend zu Boden.
Monza hörte, wie die Frau scharf die Luft einzog, und erhaschte einen Blick auf ihre weit aufgerissenen Augen, bevor sie sich umwandte, um zu fliehen. Sie war noch keinen Schritt weit gekommen, als Vitaris Stimme aus der Dunkelheit schallte. »Carlot dan Eider, wenn ich mich nicht sehr irre!«
Die Frau im roten Mantel hob eine Hand und wich zu dem Eingang zurück, in dem Monza lauerte. »Ich habe Geld! Ich kann euch bezahlen!«
Vitari schlenderte aus den Schatten, so gelassen und entspannt wie eine räuberische Katze in ihrem eigenen Garten. »Oh, Sie werden natürlich bezahlen.
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