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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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hatte der Gong nach der ersten Stunde geklingelt, zog Carina Flora in den Flur hinaus. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Flora runzelte verwundert die Stirn.
    »Was ist los?«
    »Udo!«, sagte Carina. »Udo ist wieder da. Gestern ist er wieder eingezogen. Gott, du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich darüber bin. Meine Mutter ist wie ausgewechselt – sie hat sogar gestern für uns alle drei gekocht. Wir hatten einen supernetten Abend so richtig in Familie. Der Hammer!«
    Flora zog das zierliche Mädchen an sich. »Das freut mich total für dich!«, sagte sie und strich ihr über den Rücken. »Ich drück dir die Daumen, dass es so bleibt.«
    Carina nickte und tänzelte um Flora herum. »Ach, ich bin echt soooo froh, du kannst es dir nicht vorstellen! Ich muss dich nachher auf einen Prosecco einladen oder so, das müssen wir feiern, was meinst du?« Flora nickte etwas zögerlich.
    »Oh, Mann, sorry, entschuldige, ich hab das grad total, na ja, vergessen – dir ist wahrscheinlich nicht so wirklich nach feiern zumute, oder?«
    »Ach, ist schon in Ordnung. Ich glaub, ich muss so schnell wie möglich wieder mein normales Leben führen. Vielleicht ist das das Beste. Ist ja nicht wirklich was passiert.«
    Doch wie zum Hohn baute sich in dem Moment Stoffi vor ihnen auf. Er grinste über sein von roten Pusteln entzündetes, teigiges Gesicht und brüllte über den Gang: »Ey, biste untern Rasenmäher gekommen, oder was? Den Friseur würde ich echt verklagen. Siehst ja verboten aus!«
    Ehe Flora etwas sagen konnte, war Carina herumgefahren und hatte Stoffi ihr Knie zwischen die Beine gerammt. Der krümmte sich und jaulte wie ein geprügelter Hund. Carina beschimpfte ihn mit den übelsten Ausdrücken und hätte beinahe noch einmal nach ihm getreten, hätte Flora sie nicht am Ellenbogen gepackt und fortgezogen.
    »Blöde Schlampen«, japste Stoffi hinter ihnen her.
    Carina lachte schallend. »Hach, das tat gut – das hat der schon lange mal verdient.«
    Doch sie kamen nicht sehr weit.
    »Carina, so was will ich nicht noch mal sehen«, dröhnte eine tiefe Stimme und Carina zuckte erschrocken zusammen. Pierre Edinger blickte sie noch ernster als gewöhnlich an, aber sie hatte sich vom ersten Schrecken schon erholt. Sie begann, mädchenhaft zu kichern.
    »’tschuldigung, aber das geschah dem echt recht. Der hat meine Freundin blöd angemacht.«
    »Trotzdem.« Edinger wirkte richtig sauer. »Handgreiflichkeiten sind einfach tabu. Absolut. Noch einmal und wir gehen zusammen zum Direktor.« Carina machte einen albernen Knicks und lachte dem Lehrer frech ins Gesicht.
    »Aber gerne«, sagte sie, wollte Flora an der Hand fassen und mit ihr fortlaufen. Doch Edinger hielt Flora auf. »Es tut mir leid wegen vorhin«, sagt er aufrichtig. Und nach einer Pause fügt er hinzu: »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie wirkten im Unterricht heute so abwesend.« Flora wusste nicht, was sie antworten sollte. Einem Lehrer wollte sie sich ganz gewiss nicht anvertrauen. Aber irgendwie rührte sie seine Aufmerksamkeit.
    »Geht schon.« Sie wisperte mehr, als dass sie sprach. Und wieso stiegen Tränen in ihr auf? Sie musste raus, ganz einfach raus. »’tschuldigung«, nuschelte sie und rannte einfach los, Carina hinterher.
    »Flora, warten Sie«, hörte sie Edinger verwundert rufen, aber sie drehte sich nicht mehr zu ihm um.
    Der Prosecco und die Diskussion hatten Carinas Wangen rot gefärbt.
    »Ich glaube nicht, dass die Polizei ernsthaft daran interessiert ist, dir zu helfen«, sagte sie und fächelte sich mit einer Zeitung Luft zu. Nach der Schule war es bei Mr Bleck wie gewöhnlich voll und stickig. Flora hatte nicht wirklich hierhergehen wollen, aber Carina war der Meinung, Flora fielen vielleicht wieder ein paar Sachen ein, wenn sie dort wäre. Doch das war nicht geschehen.
    Erst als Flora durchs Fenster beobachtete, wie ein weißer Transporter, der mit Zigaretten für den Automaten gleich neben Mr Bleck bestückt war, anhielt, schreckte sie auf.
    »Mist, ich habe den Polizisten nichts von dem weißen Transporter erzählt.« Carina sah sie verständnislos an. Flora erzählte ihr von diesem einzigen Fragment, das hell aus dem nachtschwarzen Loch des Vergessens herausleuchtete. Von diesem Geräusch einer zugeschobenen Tür und der Assoziation mit einem weißen Transporter.
    »Der Postzusteller hat am Samstag früh bei uns geklingelt – und als er wieder losfahren wollte, habe ich die Autotür gehört – und da fiel mir das ein«,

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