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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nur die Beanos zu essen, aber als die alle waren, wollte ich mehr. Mehr. NOCH MEHR!
    Warum auch nicht?, fragte ich mich. Es ist ja genug da. Außerdem will sie es gar nicht essen.
    Das darf ich nicht, wurde mir klar, sie bringt mich um.
    Doch, du darfst, überredete ich mich, sie wird es nicht einmal merken.
    Na gut, dachte ich und schloss einen Kompromiss: Ich würde eine Hälfte essen und die zweite in das rote Papier einwickeln, dann würde ich das Ei wieder im Karton auf den Schrank stellen, die heile Seite nach vorn, und Margaret würde nichts merken.
    Schnell hatte ich mich überzeugt und war stolz, dass ich auf diese gute Idee gekommen war. Während ich vor Aufregung und Vorfreude keuchte, nahm ich die eine Hälfte in die Hand und brach sie durch. Erregt, mit klopfendem Herzen, weil ich der Erfüllung nahe war, stopfte ich mir die Schokolade in den Mund und nahm den Geschmack erst wahr, als ich sie hinunterschluckte.
    Der Rausch war nur von kurzer Dauer.
    Mit dem letzten Bissen, spürte ich die Scham in mir aufsteigen. Voller Schuldgefühle wickelte ich hastig das halbe Ei wieder ein. Ich wollte es nicht mehr sehen.
    Sosehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nicht, das Papier glatt und ohne Falten um das Ei zu wickeln. Und als ich es mit dem Fingernagel zu glätten versuchte, riss es! Meine Gier nach Zucker und Schokolade war befriedigt. Jetzt kam die Angst, die neben der Lust keinen Platz hatte, wieder.
    Mit tiefstem Bedauern wünschte ich mir, dass ich nichts angerührt hätte. Ich wünschte mir sogar, dass ich noch nie etwas von Ostereiern gehört hätte. Margaret würde es merken, und selbst wenn Margaret es nicht merkte, der liebe Gott wusste es auf jeden Fall. Ich würde in die Hölle kommen. Ich würde in heißem Fett braten und schmoren, so wie die Pommes frites, die Mum uns jeden Freitag machte.
    Mit einem Gefühl der Übelkeit und großer Sehnsucht nach dem Zeitpunkt vor zehn Minuten, als das Ei noch unberührt war, ordnete ich das Papier, so gut ich konnte, und stellte das halbe Ei in seinen Karton. Dort wollte es aber nicht aufrecht stehen, weil ihm die andere Hälfte als Stütze fehlte.
    Und da an dem Tesafilm auch Karton haftete, klebte er nicht mehr.
    Da packte mich richtig die Angst. Richtig und mit aller Macht. Ich hätte alles gegeben, um die Zeit zu dem Punkt zurückzudrehen, als ich noch nichts gegessen hatte. Alles.
    Lieber Gott, bitte hilf mir. Ich werde immer brav sein. Ich tue so was auch nie wieder. Ich gebe ihr nächstes Jahr mein Osterei. Ich gebe ihr auch jeden Sonntag meinen Cadbury’s- Riegel, nur lass sie es nicht merken.
    Endlich schaffte ich es, dass das halbe Ei in dem Karton stehenblieb. Ich machte ihn zu und stellte ihn wieder auf den Schrank.
    Ich fand, dass es gut aussah. Die Vorderseite war makellos, sodass man nie auf die Idee kommen würde, dass die hintere Hälfte nicht mehr da war. Margarets Osterei war wie der Mann, den sie in O’Learys Moor mit zertrümmertem Schädel gefunden hatten. Mein Vergleich gefiel mir. Die Entdeckung hatte in unserer Straße und in mindestens vier weiteren Straßen, die parallel zu unserer verliefen, große Aufregung hervorgerufen. Aber bei uns war das Zentrum, weil ein Mann aus unserer Straße, Dan Bourkes Vater, die Leiche gefunden hatte. Zuerst dachte er, der Mann ruhe nur aus, weil sein Gesicht ganz normal aussah. Doch als Mr. Bourke ihn hochhob, fiel das Gehirn aus dem Hinterkopf. Dan Bourke erzählte, dass das so ekelig war, dass sein Vater sich deswegen übergeben musste. Eigentlich durften wir das gar nicht wissen. Mum hatte gesagt: »Still, die Wände haben Ohren« und die Augenbrauen hochgezogen. Aber Dan Bourke, der alles aus erster Quelle wusste, erzählte uns die ganze Geschichte. Er sagte, es sei mit einem Feuerhaken passiert. Daraufhin betrachtete ich unseren mit großer Neugier und fragte mich, ob man damit auch jemandem den Schädel spalten konnte, sodass sein Gehirn herausquoll. Ich fragte meine Mutter, und die sagte nein, unser Feuerhaken gehöre netten Leuten.
    Das hinderte uns jedoch nicht daran, den Sommer über damit »Toter Mann in O’Learys Moor« zu spielen. Es war kein sehr aktives Spiel. Eine von uns tat so, als würde sie einer anderen mit dem Feuerhaken den Kopf einschlagen, dann musste sich die, die erschlagen worden war, endlos lange hinlegen, und eine andere musste in der Rolle des Mr. Bourke vorbeikommen und so tun, als würde sie sich übergeben. Einmal spielte Claire den Teil mit dem Übergeben so

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