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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ihren Lauf nahm.
    Normalerweise hätte es mich zutiefst beschämt, dass meine Familie im September vor dem Haus auf der Wiese saß und belegte Brote aß. Im Sommer konnte das angehen, aber die Schule hatte wieder begonnen, und da schickte sich das nicht mehr. Aber jetzt war mir das alles gleichgültig. Es war mir verdammt egal.
    Mit rotgeweinten Augen und voller Verzweiflung starrte ich die Vorübergehenden an.
    »Kann der Mann wirklich unser Haus aufmachen?«, fragte ich Mum immer wieder.
    »Jaa! Herr im Himmel, Rachel, Jaha!«
    »Und dann müssen wir nicht auf der Müllkippe wohnen?«
    »Woher hast du denn bloß die Idee?«
    »Kommt er auch wirklich?«
    »Ja, natürlich kommt er.«
    Aber er kam nicht. Aus dem Nachmittag wurde Abend, die Schatten wurden länger, und es wurde kühler. Und da wusste ich, was ich zu tun hatte.
    Ich musste ein Geständnis ablegen.
    Dad kam nach Hause, bevor der Mann kam. Es stellte sich heraus, dass das Schloss ganz in Ordnung war und Mum den falschen Schlüssel genommen hatte. Doch da war es zu spät. In dem Versuch, das Ungleichgewicht in der Welt, das ich verursacht hatte, wieder auszugleichen, hatte ich schon alles verraten.

38
    I ch beschloss, die Geschichte mit dem Osterei nicht zu verwenden. Ich befürchtete, dass ich darin nicht besonders gut wegkam. Und als es am nächsten Morgen Zeit für die Gruppensitzung war, hatte ich fast nichts zu Papier gebracht. Josephine war sauer.
    »Es tut mir leid«, sagte ich und hatte das Gefühl, wieder in der Schule zu sitzen und meine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. »Aber ich fand es nicht leicht.«
    Ein großer Fehler. Ein dicker, dicker Fehler mit Doppelkinn und enormen Oberschenkeln.
    In Josephines Augen trat ein Glitzern, als wäre sie ein Tiger, der im Begriff ist, sich auf seine Beute zu stürzen.
    »Ich meinte, weil es im Speisesaal so laut war«, protestierte ich. »Das ist der einzige Grund, weiter nichts. Ich schreibe es heute Abend.«
    Doch davon wollte sie nichts hören.
    »Wir improvisieren ein bisschen«, sagte sie. »Sie brauchen nichts zu schreiben, erzählen Sie uns einfach von Ihrer Kindheit.«
    So ein Mist.
    »Vielleicht wäre es besser, wenn ich darüber nachdenken und es aufschreiben könnte«, wandte ich ein. Je mehr ich mich wehrte, desto hartnäckiger würde sie darauf bestehen, das war mir klar, aber ich konnte mich nicht bremsen. Wäre ich ein bisschen schlauer gewesen, hätte ich so getan, als wäre ich von ihrer Idee zu improvisieren entzückt gewesen, denn dann hätte sie den Vorschlag zurückgezogen.
    »Was man heute kann besorgen ...«, sagte Josephine mit einem freundlichen Lächeln und unnachgiebigem Blick.
    »Also gut«, begann sie. »Am Sonntag war Ihre Schwester hier, um sie zu besuchen, richtig?«
    Ich nickte und merkte, wie ich dasaß. Kaum wurde Helen erwähnt, verschloss ich mich: Die Arme hatte ich fest um den Oberkörper gelegt, meine Beine waren übereinandergeschlagen und umeinander verschlungen. So ging das nicht. Josephine würde alle möglichen falschen Schlüsse aus meiner Körperhaltung ziehen.
    Ich löste meine Arme vom Körper und ließ sie lässig herabhängen. Ich faltete meine Beine auseinander und spreizte sie so weit, dass Mike dachte, dies sei ein Angebot. Hastig, in dem unbehaglichen Bewusstsein, dass ihm ein unverstellter Blick auf meinen Schritt gewährt war, schloss ich die Knie.
    »Soweit ich gehört habe, hat Ihre Schwester am Sonntag für einigen Wirbel gesorgt«, sagte Josephine.
    »Das tut sie immer«, sagte ich lässig.
    Das war falsch. Man konnte Josephines Erregung förmlich riechen.
    »Stimmt das?«, sagte sie aufgeregt. »Und ich habe gehört, dass sie eine sehr attraktive junge Frau ist.«
    Ich zuckte zusammen. Eine ganz unwillkürliche Reaktion. Nicht dass es mir etwas ausmachte, dass Helen und meine Schwestern tausendmal besser aussahen als ich, aber das Mitleid der Leute, das machte mich fertig.
    »Und wie groß ist der Altersunterschied zwischen Ihnen beiden?«
    »Sechs Jahre, sie wird einundzwanzig«, sagte ich und versuchte, so gleichmütig wie möglich zu klingen, damit man nichts daraus ableiten konnte.
    »Sie klingen sehr gedämpft«, sagte Josephine. »Bedrückt es Sie, dass Ihre Schwester so viel jünger ist?«
    Ich konnte nicht umhin, spöttisch zu lächeln. Es war gleichgültig, wie ich mich verhielt, sie würde auf jeden Fall irgendetwas Negatives hineinlesen.
    Josephine betrachtete fragend mein Lächeln.
    »Ich trage es mit Fassung«, witzelte

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