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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ich.
    »Ich weiß«, sagte sie völlig ernst.
    »Nein! Das sollte ein Witz sein ...«
    »Sie waren sicherlich sehr eifersüchtig, als Helen geboren wurde«, unterbrach Josephine mich.
    »Ehrlich gesagt, nein«, sagte ich überrascht. Überrascht, weil Josephine danebenlag. Weil sie mich noch nicht zu einem zitternden, heulenden Wrack gemacht hatte, wie ich es bei Neil und John Joe gesehen hatte.
    Hahaha. Hoffentlich kommt sie mit ihren eigenen Misseifolgen gut klar.
    »Ich kann mich kaum daran erinnern, als Helen geboren wurde«, sagte ich ganz aufrichtig.
    »Na gut, dann erzählen Sie uns doch, wie es war, als Anna geboren wurde«, sagte sie. »Wie alt waren Sie da?«
    Plötzlich war ich mir meiner selbst nicht mehr so sicher. Ich wollte nicht über Annas Geburt sprechen.
    »Wie alt waren Sie?«, fragte Josephine wieder. Ich ärgerte mich über mich, denn weil ich nicht sofort antwortete, wurden meine Gefühle offensichtlich.
    »Dreieinhalb«, antwortete ich leichthin.
    »Und bis zu Annas Geburt waren Sie die Jüngste?«
    »Hmm.«
    »Und waren Sie auf Anna eifersüchtig, als sie zur Welt kam?«
    »Nein!« Woher wusste sie das? Ich hatte vergessen, dass sie mir die Frage schon bei Helen gestellt hatte. Sie probierte einfach nur aus und war nicht allwissend.
    »Sie haben also Anna nicht gekniffen oder sie zum Weinen gebracht?«
    Ich sah sie entsetzt an. Wie um alles in der Welt konnte sie das wissen? Und warum musste sie es allen hier erzählen?
    Die anderen setzten sich aufrecht hin. Sogar Mike ließ einen Moment von dem Versuch ab, mit meiner Unterhose zu flirten.
    »Ich vermute, Sie haben Anna gehasst, weil sie Ihnen Aufmerksamkeit wegnahm.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Doch, das stimmt.«
    Mir war heiß, ich schwitzte. Ich wand mich vor Verlegenheit und Zorn, weil ich wieder in diese furchterregende Welt katapultiert wurde, in der meine Taten so verheerende Folgen gehabt hatten. Vielleicht hätte ich sogar den Fragebogen vorgezogen.
    Ich wollte mich nicht daran erinnern.
    Auch wenn es alles immer halb da war, als Beinah-Erinnerung.
    »Rachel, Sie waren drei Jahre alt, in einem Alter also, in dem es nach den Erkenntnissen der Kinderpsychologie sehr schwierig ist, ein neues Familienmitglied zu akzeptieren. Ihre Eifersucht war ganz natürlich.« Josephine war plötzlich ganz liebevoll mit mir.
    »Was fühlen Sie jetzt?«, fragte sie mich.
    Und statt ihr zu sagen, dass sie sich meinetwegen verpissen konnte, machte ich den Mund auf und sagte, den Tränen nah: »Ich schäme mich.«
    »Und warum haben Sie Ihrer Mutter nicht gesagt, wie Ihnen zumute war?«
    »Das ging nicht«, sagte ich überrascht. Es wurde erwartet, dass man sich über eine neue Schwester freute, nicht, dass man sie zum Teufel wünschte.
    »Außerdem war Mummy ganz komisch geworden«, fügte ich hinzu.
    Ich spürte, wie das Interesse der anderen zunahm.
    »Sie lag viel im Bett und weinte.«
    »Warum?«
    »Weil ich so gemein zu Anna war«, sagte ich langsam. Mein Lebensmut sank, als ich mich zwang, das zu sagen. Ich war dafür verantwortlich gewesen, dass meine Mutter sechs Monate weinend im Bett verbracht hatte.
    »Was haben Sie Anna denn angetan, was so schlimm war?«
    Ich schwieg. Wie konnte ich ihr und den anderen erzählen, dass ich ein kleines, wehrloses Baby gekniffen hatte, dass ich gebetet hatte,Anna möge sterben, dass ich mir vorgestellt hatte, sie in den Mülleimer zu werfen?
    »Gut«, sagte Josephine, als es klar wurde, dass sie keine Antwort aus mir herausbekommen würde. »Haben Sie versucht, sie umzubringen?«
    »Neihein!« Beinahe hätte ich gelacht. »Natürlich nicht.«
    »Na, dann kann ja das, was Sie getan haben, nicht so schlimm gewesen sein.«
    »Aber es war sehr schlimm«, beharrte ich. »Daddy ist sogar weggegangen.«
    »Wohin?«
    »Nach Manchester.«
    »Warum ist er nach Manchester gegangen?«
    Wie konnte sie das fragen?, dachte ich beschämt. Lag das nicht auf der Hand? Dass er meinetwegen weggegangen war?
    »Es war meine Schuld«, platzte ich heraus. »Wenn ich Anna nicht gequält hätte, dann hätte Mummy nicht so viel geweint und Daddy wäre nicht von uns weggegangen, weil es ihm alles zu viel wurde mit uns.« Und dann fing ich zu meinem Entsetzen an zu weinen.
    Ich weinte nur kurz, entschuldigte mich und setzte mich gerade hin.
    »Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass Ihre Mutter an einer Wochenbettdepression litt?«, sagte Josephine.
    »O nein, das glaube ich nicht«, sagte ich bestimmt. »Es hatte damit nichts zu tun, es

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