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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nah an meinem.
    »Ja«, sagte ich mit belegter Stimme und sah in die Richtung seines ausgestreckten Arms. Er kam zwar nicht näher an mich heran, wich aber auch nicht zurück.
    Wenn ich ganz tief einatmete, würde mein Bauch seinen berühren.
    »Man hat dort zwei Leute beim Sex erwischt«, sagte er.
    »Wann war das?« Ich konnte kaum sprechen, so gebannt war ich, so angespannt.
    »Ist schon eine Weile her«, sagte er.
    »Wer war es?«
    »Patienten, Klienten, wie man uns auch nennen mag.«
    »Wirklich«, murmelte ich und fragte mich, wohin das Gespräch führen sollte.
    »Ja«, sagte er und schmunzelte. »Zwei Leute, Leute wie du und ich, in diesem Badezimmer hat man sie in flagranti erwischt.«
    Es klang, als hätte er den Satz absichtlich so formuliert, um besonders provozierend zu klingen. Doch dann machte er einen Schritt zurück, und ich hatte das Gefühl, von den Klippen zu stürzen.
    »Wie findest du das?«, fragte er.
    »Ich glaube dir nicht«, sagte ich enttäuscht. Meine Erwartungen waren so hochgeschraubt, und dann verlief alles im Sande ...
    »Es stimmt aber«, sagte er, und sein Blick unterstrich seine Aufrichtigkeit.
    »Das kann nicht sein«, sagte ich und konzentrierte mich endlich auf das, was ich sagte. »Wie können die Leute denn ... Ich meine, wie können sie die Regeln einfach durchbrechen?«
    Er lachte. »Du bist wunderbar unschuldig. Und ich dachte, du wärst eine ganz Wilde.«
    Ich war wütend auf mich und stammelte: »Aber das bin ich auch, ehrlich.«
    »Sollen wir wieder reingehen?« Er nickte in Richtung Haus.
    Verwirrt und frustriert sagte ich: »Meinetwegen.«

47
    A m Montagmorgen knöpfte Josephine sich Mike vor und nahm ihn vollständig auseinander.
    »Mike, ich wollte schon lange wieder auf Sie zurückkommen«, sagte sie, und es klang wie eine Entschuldigung. »Es ist an der Zeit, dass wir Ihren Alkoholismus etwas näher betrachten, nicht wahr?«
    Er ließ sich nicht dazu herab, ihr zu antworten, und machte ein Gesicht, als wollte er sie erwürgen.
    Phantastisch, dachte ich freudig. Solange jemand anders im Schleudersitz saß, war kein Platz für mich.
    Josephine wandte sich an uns alle. »Hat jemand eine Frage an Mike?«
    Hast du eine Dauerwelle?, formulierte ich still für mich. Und wenn ja, warum?
    Keiner sagte etwas.
    »Na gut«, seufzte Josephine. »Dann mache ich es selbst. Sie sind das älteste von zwölf Kindern?«
    »Das stimmt«, sagte Mike laut und deutlich.
    »Und Ihr Vater starb, als Sie fünfzehn waren?«
    »Das ist richtig«, sagte er ebenso laut und deutlich.
    »Das muss eine schwere Zeit gewesen sein.«
    »Wir kamen klar.«
    »Wie?«
    »Indem wir schwer gearbeitet haben.« Mikes Gesicht war noch verschlossener und hässlicher als sonst.
    »In der Landwirtschaft?«
    »In der Landwirtschaft.«
    »Hatten Sie Vieh?«
    »Hauptsächlich Feldwirtschaft.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprachen.
    »Lange Tage?«
    »Aufstehen vor dem Morgengrauen, auf den Beinen bis zum Dunkelwerden«, sagte Mike mit einem gewissen Stolz. »Sieben Tage in der Woche, und nie einen Tag Ferien.«
    »Sehr lobenswert«, sagte Josephine. »Bis Ihre Trinkgewohnheiten außer Kontrolle gerieten, Sie Wochen im Suff verbrachten und die Arbeit liegenblieb.«
    »Aber ...«, hob Mike an.
    »Ihre Frau war bei uns«, unterbrach Josephine ihn. »Wir wissen bestens Bescheid. Und Sie wissen, dass wir es wissen.«
    Und dann legte sie los. Den ganzen Morgen ließ sie nicht mehr locker.
    Sie versuchte, ihn zu der Einsicht zu bewegen, dass er so sehr damit beschäftigt war, seine Familie zu einem gut funktionierenden Arbeitsteam zu machen, dass ihm nicht die Zeit blieb, um seinen Vater zu trauern.
    »Nein, nein«, widersprach er sichtlich verärgert. »Wir mussten ein System entwickeln. Sonst wären wir verhungert.«
    »Warum mussten Sie das machen?«
    »Ich war der Älteste«, murmelte er bedrückt. »Es war allein meine Verantwortung.«
    »Das ist nicht richtig«, erwiderte Josephine. »Was war mit Ihrer Mutter?«
    »Meine arme Mutter«, stammelte Mike. »Ich wollte ihr nicht noch mehr Sorgen machen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich schätze meine Mutter über alle Maßen«, sagte Mike leise in einem Ton, als müsse Josephine sich schämen, diese Frage gestellt zu haben.
    »Ja«, sagte Josephine. »Sie haben eine merkwürdige Einstellung zu Frauen, stimmt’s? Die Frau als Heilige oder als Hure, dieses Denken ist bei Ihnen sehr ausgeprägt.«
    »Was ...?«
    »Darauf können wir später noch zurückkommen.«
    Trotz

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