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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wollten.
    Die Therapeutin, die heute auf uns aufpasste, war die hübsche Barry Grant. Als ich sie fragte, ob ich telefonieren könnte, sagte sie laut: »Oh nein, Rachel, mein Kind, ich trinke gerade meinen Tee.«
    Sie deutete freundlich auf die Tasse vor sich, sodass ich ungefähr verstand, wovon sie sprach.
    Ich hampelte unruhig vor ihr herum, bis sie schließlich aufstand und mir zum Büro voranging. Als wir am Empfang vorbeikamen, war ich überrascht, als ich Mike sah, der sich dort über die Quirlige beugte.
    War die Quirlige eine Heilige oder eine Hure?, fragte ich mich.
    »Ein reizendes Mädel wie Sie?«, sagte er mit schmeichelnder Stimme und zwinkerte ihr zu. »Ich hätte gedacht, Sie müssten die Kerle mit Stinkbomben von sich fernhalten.«
    Ich glaube, eher Hure.
    »He!«, brüllte Barry Grant ihn an. »Nicht schon wieder! Ihnen zeig ich’s noch!«
    Mike machte vor Schreck einen Satz.
    »Ah, viel Glück, bis bald« sagte er hastig zu der Quirligen und enteilte durch die Tür.
    »Lassen Sie die Mädels in Ruhe«, rief Barry ihm hinterher.
    »Und Sie, hören Sie auf, ihn zu ermutigen«, fuhr sie die Quirlige an. »Das ist kein professionelles Verhalten.«
    Dann schrie sie mich an: »Nun kommen Sie schon!« – Wahrscheinlich wollte sie nicht, dass ich mich ausgeschlossen fühlte – »Welche Nummer wollen Sie?«
    Dad kam ans Telefon und sagte: »El Rancho Walsho.« Im Hintergrund hörte ich ein Lied aus Oklahoma.
    »Hallo, Dad«, sagte ich. »Wie klappt’s mit dem Theaterstück? Der Geruch des Publikums, der Applaus der Schminke.«
    Ich hielt es für opportun, so zu tun, als wären wir Freunde. Dann würde er vielleicht etwas Nettes über mich sagen.
    »Phantastisch«, sagte er. »Und deine Wenigkeit?«
    »Nicht ganz so phantastisch, um ehrlich zu sein. Ich habe gehört, ihr kommt morgen hierher als meine WBB.«
    Ich hörte, wie er einatmete, und es klang, als legte ihm jemand ein Halseisen um.
    »Ich hole mal eben deine Mutter!«, quiekte er. Dann ließ er den Hörer auf den Tisch knallen.
    Darauf folgten mehrere Minuten angestrengten Flüsterns, während mein Vater meiner Mutter erklärte, was ich wollte, und sie sich gegenseitig die Schuld gaben.
    »FLÜSTER FLÜSTER FLÜSTER«, machte Mum besorgt.
    »FLÜSTERFLÜSTERFLÜSTERFLÜSTER!«, erwiderte Dad erregt.
    »Also, FLÜSTER, flülster.«
    »Du bist FLÜSTER, FLÜSTER FLÜSTER FLÜSTER Frauensache!«
    Ich ahnte die Richtung, die das Gespräch nahm. »Was soll ich denn sagen?«, zischte Mum.
    »Sag einfach die Wahrheit«, zischte Dad zurück.
    Und Mum zischte ihm zu: »Mach du das doch selbst.«
    Und Dad zischte: »Du bist ihre Mutter, und das hier ist reine Frauensache.«
    Dad hatte Mum wahrscheinlich angedroht, dass er ihr das Haushaltsgeld kürzen würde, denn zu guter Letzt nahm sie den Hörer in die Hand und sagte mit betont munterer Stimme: »Ich bin froh, wenn das endlich vorüber ist, mit dem Oklahoma. Er macht mich noch wahnsinnig. Und weißt du, was ich ihm kaufen soll? Das glaubst du nie. Hafergrütze! Das will er zum Abendessen haben. Was soll denn das, frage ich ihn. Das essen die Cowboys immer, sagt er mir. Also wirklich, Hafergrütze, das gab’s doch nur in Oliver Twist ...«
    Als ich endlich zum Zuge kam, bestätigte sie zögernd, dass sie und Dad tatsächlich kommen würden, um mich niederzumachen.
    Ich konnte das kaum glauben. Obwohl ich in einer Klinik war und dergleichen anderen passierte, hatte es gefälligst nicht mir zu passieren. Ich war nicht wie die anderen. Und das war nicht das typische Leugnen einer Süchtigen, das war die Wahrheit. Ich war wirklich anders als die anderen.
    »Also, wenn ihr kommen müsst, dann kommt«, seufzte ich. »Aber seid vorsichtig. Wenn ihr mich in die Pfanne haut, wer weiß, was ich dann tue.«
    »Natürlich werden wir dich nicht in die Pfanne hauen«, säuselte Mum. »Aber wir müssen doch die Fragen der Therapeutin beantworten.«
    Genau das hatte ich befürchtet.
    »Vielleicht, aber ihr braucht mich nicht in die Pfanne zu hauen.« Selbst in meinen eigenen Ohren klang ich wie eine Dreizehnjährige.
    »Kommt ihr morgens oder nachmittags?«, fragte ich.
    »Nachmittags.«
    Das war ein bisschen besser, denn wenn sie am Vormittag kämen, würden sie vielleicht den ganzen Tag bleiben.
    »Und Rachel, Liebes«, sagte Mum, und es klang, als wollte sie weinen, »wir hauen dich bestimmt nicht in die Pfanne. Wir wollen dir doch nur helfen.«
    »Gut«, sagte ich finster.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Barry

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