Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
verantwortlich war. Immer wieder zeigte er auf, dass ich kein böses Kind gewesen war, dass ich jetzt kein schlechter Mensch war.
    Es war, als würde ein Photo entwickelt, ganz langsam, ein ganzes langes Jahr, und mein Bild träte nach und nach schärfer zutage.
    Und die großen Veränderungen zogen kleinere nach sich. Ich vermutete, dass ich immer ein großes Schleckermaul bleiben würde, aber das hemmungslose Hin und Her zwischen Prassen und Hungern pendelte sich von selbst ein, ohne dass ich etwas dazu tun musste.
    Damit soll nicht gesagt werden, dass ich nicht auch schlechte Tage hatte. Die hatte ich nämlich.
    Die Dinge wurden nicht in einer steten Aufwärtsbewegung besser. Ich machte zwei Schritte vor und einen zurück. Es gab Momente, wenn mein erbarmungsloses Bewusstsein mir keine Ruhe gönnte und ich mich einfach nur abschalten, mich aus der Realität ausklinken wollte. Es musste gar nichts Schlimmes geschehen sein, manchmal war ich es einfach nur leid, immer ganz da zu sein.
    Und dann gab es Zeiten, wenn mich die Trauer um meine vergeudeten Jahre umwarf. Mich plagten schreckliche Schuldgefühle wegen des Schmerzes und der Sorgen, die ich so vielen anderen bereitet hatte, aber Nola versicherte mir, dass ich es wiedergutmachen würde, wenn es mir erst ein bisschen besser ginge. Aber das klang in meinen Ohren auch nicht so verlockend.
    Manchmal war es so, als lebte ich auf einer Achterbahn, denn immer wieder übermannte mich die Wut, weil ich das schlechte Los gezogen hatte und süchtig geworden war.
    Während alle menschenmöglichen Emotionen in keiner besonderen Reihenfolge aus mir heraussprudelten, hätte ich ohne die Treffen nicht überleben können. Nola und die anderen trösteten mich, richteten mich auf, unterstützten und ermutigten und beruhigten mich. Was immer ich fühlte, sie kannten das Gefühl. Und sie sagten mir immer wieder: »Wir haben es überstanden, jetzt sind wir glücklich.«
    Ihre Unterstützung war ganz unschätzbar, als aus heiterem Himmel der Tanga-Krieg ausbrach. Ich hatte gedacht, dass meine Mutter und ich nach der großen Versöhnung im Krankenhaus nie wieder streiten würden.
    Irrtum. Ein sehr, sehr großer Irrtum.
    Man kann sich gar nicht vorstellen, was für ein unermesslich großer Irrtum das war.
    Und was geschah, war Folgendes: Jeder weiß, dass es nicht sehr schön ist, wenn sich die Unterhose durch die Hose abdrückt, klar? Keiner will, dass seine Unterhose durch eine enganliegende Hose zu sehen ist, oder? Und jeder weiß, dass man das Problem löst, indem man entweder keine Unterhose trägt oder eben einen Tanga. Das weiß jeder .
    Wenn man einen Tanga trägt, ist man keine Stripperin und auch kein loses Luder, im Gegenteil, wenn man einen Tanga trägt, zeugt das von großem Schamgefühl. Aber das sollte mal einer meiner Mutter erklären! Sie kam ganz niedergeschlagen in mein Zimmer. Sie müsse mir etwas sagen. Nur zu, ermunterte ich sie. Mit zitternder Hand hielt sie mir einen kleinen Fetzen schwarzer Spitze entgegen.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, den Kopf gesenkt. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber diese Unterhose muss in der Waschmaschine geschrumpft oder zerrissen sein.«
    Ich überprüfte das Objekt und stellte fest, dass es ein Tanga war, dem nichts fehlte.
    »Es ist nichts passiert«, versicherte ich ihr.
    »Sie ist hinüber«, beharrte sie.
    »Wirklich, es ist nichts passiert«, wiederholte ich.
    »Aber man kann sie nicht mehr tragen«, sagte sie und sah mich an, als wäre ich nicht ganz zurechnungsfähig.
    »Sie ist in bester Verfassung«, sagte ich.
    »Guck doch mal!«, sagte sie streng und hielt den Tanga ans Licht. »Damit kann man nicht mal den Hintern einer Ameise bedecken.« Sie zeigte auf das Vorderteil. »Und das hier«, sie zeigte auf die Schnur, »das nützt doch keinem was. Was mich wundert, ist, wie es in einer so glatten Linie gerissen ist.«
    »Du verstehst das nicht«, sagte ich freundlich, nahm ihr den Tanga aus der Hand und fing an zu erklären. »Das ist nicht für den Po, sondern für die Vorderseite. Und diese Schnur hier ist für die Rückseite.«
    Sie starrte mich an, langsam dämmerte es ihr. Dann öffnete und schloss sich ihr Mund wie in Krämpfen, und sie lief rot an. Sie wich vor mir zurück, als wäre ich hochgradig ansteckend. Und dann fing sie an zu kreischen: »Du loses LUDER! So was trägt man vielleicht in New York, aber hier bist du nicht in New York, und so lange du unter meinem Dach lebst, wirst du dich wie ein

Weitere Kostenlose Bücher