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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Hoffentlich kommst du leicht aus den Federn, es fängt nämlich schon um sieben Uhr an.«
    Da verstand ich ihn. Es war ein Witz.
    »Haha.« Ich zwinkerte ihmfreundlich zu. »Nicht schlecht.«

13
    I ch wartete im Speisesaal, bis die Reste des Abendessens weggeräumt waren. Immer wenn ich nichts zu tun hatte, stürzten Gedanken an Luke über mich herein. Der Schmerz der Zurückweisung verwandelte sich dann von einem dumpfen Druck im Hinterkopf zu akuter Verzweiflung. Ich brauchte Ablenkung, und zwar schnell. Jetzt musste es doch endlich Zeit für die Massage und das Fitnessstudio sein. Ich konnte einfach nicht mehr stillsitzen und Tee trinken und mich dabei von dem Gedanken, dass Luke mich sitzengelassen hatte, martern lassen. Es ging einfach nicht mehr!
    Ein hysterisches Gefühl stieg aus meiner Magengrube auf und schnürte mir die Kehle zu. Auf meiner Kopfhaut prickelte der Schweiß, und plötzlich musste ich etwas tun. Ich sprang auf und suchte Mike. Ich vergaß meine anfängliche Scheu, mit ihm zusammen gesehen zu werden, ging auf ihn zu und fragte in kämpferischem Ton: »UND WAS PASSIERT JETZT?«
    Ich konnte mich gerade noch davor zurückhalten, ihn am Pullover zu packen und mit wildem Blick und schriller Stimme zu schreien: »Und damit du es gleich weißt, ich trinke keinen einzigen Schluck Tee mehr!«
    Er schien von meiner Wut überrascht, aber nur einen kurzen Moment. Dann lächelte er entspannt und sagte: »Der Abend ist zur freien Verfügung. Freitagabends gibt es keine Vorträge oder Treffen, und wir können tun, was wir möchten.«
    »Zum Beispiel?«, fragte ich. Ich merkte, wie mein überwältigender Zorn mich atemlos gemachte hatte.
    »Wenn du willst, führe ich dich ein bisschen rum«, bot er an.
    Einerseits war ich neugierig, andererseits wollte ich meine Zeit nicht mit ihm verbringen. Doch er eilte schon voraus, also folgte ich ihm, immer noch nach Luft ringend.
    Die erste Station war der Aufenthaltsraum. Wie das ganze Gebäude wurde auch er gerade renoviert. Aber hier sah es besonders schlimm aus. Abgesehen von ein paar ramponierten Sofas waren alle Möbel ausgeräumt worden, und auf dem Teppich lag Putz in Klumpen, die von der Decke gefallen sein mussten. Die Fenster wurden offenbar erneuert, aber in der Zwischenzeit pfiff ein eisiger Wind durch den Raum. Wir trafen nur einen Insassen an. Es wunderte mich, dass überhaupt jemand da war bei der Kälte. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass es Davy war, der einsame Spieler. Ich hatte ihn nicht erkannt, weil er einen Mantel und eine Mütze mit Ohrenklappen trug. Er saß auf der Sofakante und sah sich im Fernsehen You Bet Your Life an. »Alles«, murmelte er vor sich hin, »mach schon, setz das Ganze.«
    »Was gibt es denn, Davy?«, fragte Mike in einem komischen Singsang.
    Davy sprang hoch – er sprang wirklich – und drehte den Fernseher aus.
    »Sag keinem was, ja, bitte?«, flehte er.
    »Diesmal nicht«, sagte Mike. »Aber pass bloß auf, du Oberidiot.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon die beiden sprachen.
    Als Nächstes sahen wir uns den Leseraum an.
    Auch hier wurde renoviert. Dennoch saßen ziemlich viele der Insassen hier. Obwohl es Leseraum hieß, schrieben die meisten. Was schrieben sie wohl? Briefe? Aber warum schlugen sie dann immer wieder mit der Hand auf den Tisch und riefen: »Ich kann das nicht!«? Denn das taten sie. Ich war bestimmt nur wenige Sekunden da, aber in der Zeit schlugen mindestens fünf von ihnen auf den Tisch. Andere zerknüllten ein Blatt und warfen es an die Wand. Im Raum hing dichter Zigarettenqualm und der Odem der Verzweiflung. Ich war froh, als wir wieder gingen.
    »Jetzt kommt das Beste«, sagte Mike.
    Mein Herz juchzte, und ich verscheuchte auch den restlichen Zorn. Was würde er mir zeigen? Das Fitnessstudio? Den Flügel, in dem die Berühmtheiten untergebracht waren? Das Schwimmbad?
    Er zeigte mir sein Zimmer.
    Er ging vor mir die Treppe hinauf, riss die Tür auf und sagte: »Die absolute Krönung.«
    Nachdem mein Zorn jetzt verraucht war, blieb nur ein Gefühl von Scham und der Wunsch, freundlich zu sein. So ging es mir jedes Mal. Zwar hätte ich mich vielleicht geweigert, ihm einen zu blasen, falls er mich zu diesem Zweck hierhergebracht hatte – so groß waren meine Schuldgefühle nun auch nicht –, doch ich war durchaus willens, meinen Kopf zur Tür hineinzustecken und sein Zimmer in überschwenglichen Tönen zu bewundern.
    Aber ich konnte kaum glauben, was ich da zu sehen bekam! Man könnte meinen,

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