Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
ich war. Ich vermied es während des ganzen Frühstücks, einen anderen am Tisch anzusehen.
Sie waren alle so gutmütig. Sogar angesichts des fehlenden Toasts.
»Was, keinen Toast? Schon wieder nicht!«, lachte Peter. Aber er hätte natürlich auch dann gelacht, wenn man ihm gesagt hätte, sein Haus sei abgebrannt und seine gesamte Familie einem Massaker zum Opfer gefallen.
»Wieder keinen Toast«, sagte jemand anders.
»Wieder keinen Toast.«
»Wieder keinen Toast.« Die Nachricht wanderte um den Tisch.
»Dieser fette Mistkerl Eamonn«, murmelte jemand erbost. Es war Chaquie, was mich überraschte.
Bei dem Angebot von übelkeiterregenden Eiern, nichtvegetarischen Würstchen und Speck aß ich fast nichts. Was auch was Gutes hatte, fand ich.
Aber ich war so erschöpft und von den neuen Eindrücken so erschlagen, dass mir erst am Abend auffiel, dass es nicht ein einziges Stückchen Obst zum Frühstück gegeben hatte. Keinen angematschten Apfel, keine braun gewordene Banane, ganz zu schweigen von dem meilenlangen Buffet mit frischen tropischen Früchten, das ich mir vorgestellt hatte.
18
I ch kam den ganzen Tag über nicht richtig in die Gänge. Mir war schwindlig und übel, und ich wachte gar nicht richtig auf.
Die ganze Zeit dachte ich an Luke. Ich war zu müde, um mir desVerlusts richtig bewusst zu werden, aber der Schmerz war ständig da, direkt unter der Oberfläche.
Alles war seltsam und sonderbar, als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet.
Als das widerliche Frühstück vorüber war, musste ich mehrere große, fettige Bratpfannen abspülen. Dann stürzte ich in mein Zimmer und verbrachte zwanzig Minuten damit, Make-up aufzulegen. Kein leichtes Unterfangen.
Wenn ich unter akutem Schlafmangel litt, bekam mein Gesicht rote, schuppige Flecken. Sie ließen sich nur schwer abdecken, weil die schuppigen Stellen sich einfach mit der Grundierung abschuppten und die roten Flecken dann um so deutlicher zum Vorschein kamen. Ich gab mir alle Mühe, aber auch mit Make-up sah ich aus wie ausgekotzt.
Ich schlich mich wieder runter, bemühte mich um ein Lächeln und stand plötzlich vor Misty O’Malley. Sie trug kein Make-up und sah mich mit finsterer Miene an. Mit meinem braun zukleisterten Gesicht und dem künstlichen Lächeln kam ich mir auf der Stelle vor wie ein Zirkusclown.
Don kam auf mich zu und packte mich am Ärmel.
»Hast du dir die Hände gewaschen?«, fragte er besorgt.
»Warum?«
»Jetzt ist doch der KOCHKURS«, kreischte er und riss die Augen weit auf ob meiner Begriffsstutzigkeit. »Es ist Samstagmorgen, Zeit für HOBBYS!«
Meine Phantasie von einer sanften Akupressur verflog, löste sich auf. Ich war nicht im Geringsten glücklich. Vom Kochkurs war es nur noch ein Schritt zum Körbeflechten.
»Es macht riesigen Spaß«, sagte jemand mit leuchtenden Augen, als wir uns in Richtung Küche bewegten, und reichte mir eine Schürze.
»Du wirst sehen, du magst Betty bestimmt«, verhieß mir ein anderer.
Betty war die Lehrerin. Sie war blond, wohlriechend und beliebt.
Stalin umfasste ihre Taille und tanzte mit ihr durch die Küche. »Ah, mein Augenstern«, sagte er.
Clarence stieß mich mit dem Ellbogen an. »Ist sie nicht schön?« flüsterte er, Halbidiot, der er war. »Hat sie nicht schöne Haare?«
»An die Arbeit, alle miteinander.« Betty klatschte in die Hände.
Als wir gerade anfangen wollten, kam Dr. Billings herein und bedeutete mit angewinkeltem Zeigefinger, dass Eamonn, der gierig auf eine Tüte Rosinen schielte, mitkommen solle.
»Was macht er mit ihm?« fragte ich Mike.
»Ach, der darf beim Backen nicht mitmachen«, sagte Mike, »weil er beim letzten Mal ausgerastet ist und eine ganze Schüssel voll Teig leergefressen hat. Rohen Teig.«
Die Erinnerung daran war offenbar schmerzlich. »Es dreht einem den Magen um, wenn man so was sieht«, sagte er, »wirklich wahr. Und er hatte die Schüssel richtig umklammert ...«
»Meine Herrn, was für ein Anblick«, sagte Stalin erschaudernd. »Wie Fütterung im Zoo. Danach konnte ich in der Nacht kein Auge zutun.«
»Und was macht er jetzt?«, fragte ich. Mir hatte die gebieterische Art, wie er abgeführt worden war, nicht gefallen.
»Weiß nicht«, sagte Mike achselzuckend. »Wahrscheinlich ist er in einem anderen Hobbykurs.«
»Vielleicht lernt er Bierbrauen«, schlug Barry das Kind, vor.
Darauf ertönte schallendes Gelächter. Sie schlugen sich auf die Schenkel und prusteten: »Bierbrauen, das ist gut, klasse.«
»Oder ...
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