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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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befürchtete, dass ich elendig an einem Schock zugrunde gehen würde, wenn ich duschte. Außerdem hatte ich Angst, dass ich Chaquie wecken würde, wenn ich das Licht anknipste, und dass sie wieder anfangen würde zu reden. Also zog ich mir im Dunkeln dieselben Sachen an, die ich am Abend zuvor auf den Boden geworfen hatte.
    Ich ging zum Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen, aber das war besetzt. Während ich zitternd auf dem Flur wartete, kam die Geistesgestörte mit der Taschenlampe.
    »Du bist aufgestanden, brav«, sagte sie, als sie mich sah. »Tut mir leid, dass du mich so kennengelernt hast. Ich bin Monica, eine der Nachtschwestern.«
    Ich nahm meine Zahnbürste in die andere Hand, um ihr die Hand schütteln zu können. Sie schien sehr freundlich. Mütterlich. Aber nicht wie meine Mutter.
    Endlich ging die Badezimmertür auf, und Oliver, der Stalin-Zwilling, stolzierte in einer Wolke von Rasierwasser heraus. Sein Oberkörper war nackt, und er hatte sich einen Waschlappen lässig über die gut gepolsterte Schulter geworfen. Er sah aus, als wäre er im neunten Monat schwanger. Sein enormer, nackter Bauch mit den grauen Haaren schien ein Eigenleben zu führen. Er zwinkerte mir zu und sagte: »Waschen und legen, was? Du kannst rein.«
    Nachdem ich mir halbherzig ein bisschen Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, schleppte ich mich die Treppe hinunter. Ich hatte fest vor, mir diesen Don vorzunehmen und ihm zu erklären, dass es meine traurige Pflicht sei, ihm meinen Rücktritt anzukündigen ...
    Als ich die unglaublich kalte Küche betrat, stürzte ein kleiner, dicklicher Mann mittleren Alters auf mich zu. Er trug ein ärmelloses Hemd, und wieder hatte ich das Gefühl, auf einem Trip zu sein.
    Er war ganz außer Atem und keuchte: »Braves Mädchen, ich brate gerade die Blutwurst, kannst du die Würstchen übernehmen ...?«
    »Bist du Don?«, fragte ich überrascht.
    »Wer soll ich sonst sein?« Er klang verärgert.
    Ich war verwirrt. Don war einer der Insassen. Ich hatte ihn am Tag zuvor mehrfach in dem Gewühl der Braunen Pullover gesehen. Wie konnte er eins der Teams leiten? Diese Frage stellte ich ihm stockend.
    Und er erklärte, was ich schon vermutet hatte. Nach dem Vorbild der Betty-Ford-Kliniken erledigten die Insassen den größten Teil der Hausarbeiten selbst.
    »Wir sollen Verantwortung und Zusammenarbeit lernen«, sagte er, während er von einem Fuß auf den anderen hüpfte. »Und ich leite dieses Team, weil ich schon seit sechs Wochen hier bin.«
    »Wie viele Teams gibt es denn?«, fragte ich.
    »Vier«, sagte Don. »Frühstück, das sind wir, dann Mittagessen, Abendessen und Staubsaugen.«
    Ich fing an, ihm zu erklären, dass ich in seinem Team nicht mitmachen könne. Und auch in keinem anderen Team. Ich sei allergisch gegen Hausarbeit, und außerdem hätte ich keine Suchtprobleme und wisse schon alles, was es über Verantwortung und Teamarbeit zu wissen gebe. Aber Don unterbrach mich.
    »Wir sollten uns beeilen«, sagte er. »Gleich kommen sie runter, mit einem Mordshunger, und dann wollen sie was zu futtern haben. Ich hole eben die Eier.«
    »Aber ...«
    »Und pass auf Eamonn auf, bitte«, sagte er besorgt. »Der würde den Speck roh essen, wenn er ihn zu fassen bekäme.« Damit verschwand er.
    »Es ist gemein, dass sie einen ES in das Frühstücksteam stecken ...«, rief er über die Schulter zurück.
    »Was ist ein Es?«, rief ich ihm hinterher.
    »Ein Esssüchtiger«, sagte eine undeutliche Stimme. Ich drehte mich um und sah Eamonn. Warum ich ihn bis dahin noch nicht bemerkt hatte, war mir schleierhaft, schließlich füllte er fast die halbe Küche aus.
    Und seine Stimme klang undeutlich, weil er sich den Mund mit Brot vollgestopft hatte.
    »Wahrscheinlich meldest du mich jetzt«, sagte er mit einem hündischen Lächeln und stopfte sich eine Scheibe nach der anderen in den Mund.
    »Dich melden?«, rief ich aus. »Warum sollte ich das tun?«
    »Warum nicht?« Er sah enttäuscht aus und klang auch so. »Du sollst dich um mich kümmern und mir helfen, meine Sucht zu überwinden, und ich soll dir helfen.«
    »Aber du bist doch erwachsen«, sagte ich verwirrt. »Wenn du eine Familienpackung Tbastbr...« – ich brach ab und berührte die Packung – »eine Familienpackung tiefgefrorenes Toastbrot in weniger als einer Minute essen willst, dann ist das doch deine Sache.«
    »Also gut«, sagte er aufmüpfig. »Dann tue ich das.«
    Ich hatte was Falsches gesagt. Und dabei wollte ich nur freundlich

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