Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
in New York drängten, wo drei Luftballons mit Tesafilm an der Tür klebten.
Doch dann warf ich die Schultern zurück. Es war Zeit für eine neue Line. In meinem Wohnzimmer hielten sich eine ganze Menge attraktiver Männer auf. Es bestand sogar die Möglichkeit, dass einige von ihnen nicht schwul waren.
Luke Costello konnte mir mal die Füße küssen!
28
I n dieser Nacht landete ich einen Volltreffer. Ich gabelte einen Typen auf, der Daryl hieß und in einemVerlag einer von den Wichtigen war. Er sagte, er kenne Jay McInerney und sei auf dessen Ranch in Texas gewesen.
»Oh«, säuselte ich beeindruckt. »Er hat zwei Ranches?«
»Wie bitte?«, sagte Daryl.
»Ja«, sagte ich. »Ich wusste, dass er eine Ranch in Connecticut hat, aber dass er eine in Texas hat, wusste ich nicht.« Daryl sah mich verdutzt an.
Mir wurde bewusst, dass ich zu viel redete.
Weil wir zum Vögeln nicht in mein Zimmer konnten, gingen wir zu Daryl. Leider nahmen die Dinge eine etwas merkwürdige Wendung, als wir dort ankamen.
Wir machten den Rest von meinem Koks nieder. Aber an dem Punkt, an dem wir miteinander hätten ins Bett gehen sollen, um uns gegenseitig unsere Unbesiegbarkeit zu beweisen, rollte er sich zu einem Ball zusammen und fing an, sich hin und her zu wiegen und mit Babystimme zu wimmern: »Mama. Ma. Ma. Mam. Mah, Mama.«
Zuerst dachte ich, es sei ein Witz, also machte ich es ihm nach, wiegte mich auch und sagte »Mama«. Bis ich merkte, dass es kein Witz war und ich mich wie der letzte Idiot aufführte.
Also entrollte ich mich wieder, räusperte mich und versuchte, vernünftig mit ihm zu sprechen, aber er konnte mich weder hören noch sehen.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen. Ich stand in dem schönen, luftigen, weiß gestrichenen Loft in der West Ninth Street und sah auf einen erwachsenen Mann hinunter, der sich wie ein Kleinkind auf dem polierten Kirschholzfußboden herumrollte. Und ich hatte ein so intensives Gefühl des Alleinseins, dass ich mich ganz hohl fühlte. Ich sah, wie die Staubkörnchen auf den frühen Sonnenstrahlen tanzten, und kam mir vor, als hätte ich eine Direktverbindung zum Mittelpunkt des Universums, und das war auch hohl. Einsam und leer. In meinem Inneren umschloss ich da, wo einst mein Magen war, die Leere der ganzen Schöpfung. Wer hätte gedacht, dass in einem Menschen so viel Nichts Platz haben könnte? In mir erstreckten sich unendliche, riesige Wüsten verlassener Leere. Man bräuchte mehrere Wochen, um die sandige, öde Weite zu durchschreiten.
Leere um mich herum. Leere in mir drin.
Ich sah auf Daryl hinab. Er war mit dem Daumen im Mund eingeschlafen.
Ich wollte mich schon zu ihm legen, aber irgendwie glaubte ich, er würde es nicht besonders schätzen, wenn er mich beim Aufwachen neben sich fände.
Ich sah mich unentschlossen um. Dann riss ich eine Seite aus einem Notizbuch und schrieb meine Telefonnummer darauf. Darunter schrieb ich: »Ruf mich an!« und dann meinen Namen. Ich überlegte, ob ich »Gruß Rachel« oder einfach nur »Rachel« schreiben sollte. Ich fand »Rachel« besser, aber vielleicht nicht freundlich genug. Ganz am Schluss schrieb ich: »Das Mädchen von der Party«, für den Fall, dass er sich nicht an mich erinnerte. Ich spielte mit dem Gedanken, eine Zeichnung von mir hinzuzufügen, konnte mich aber noch gerade bremsen. Dann überlegte ich, ob das Ausrufezeichen hinter »Ruf mich an!« nicht zu aufdringlich war. Hätte ich besser schreiben sollen: »Ich würde mich über einen Anruf freuen ...«?
Ich wusste, dass ich mich albern aufführte. Aber falls er mich nicht anrief – und er würde bestimmt nicht anrufen –, würde ich mich mit Gedanken darüber quälen, was ich getan hatte und was nicht. (Vielleicht war die Mitteilung zu kühl formuliert und er käme zu dem Schluss, dass ich nicht wollte, dass er mich anruft. Er könnte zu Hause sitzen und darauf brennen, mich anzurufen, hätte aber den Eindruck, ich sei nicht interessiert. Oder vielleicht war sie zu aggressiv – er könnte merken, wie sehr ich mir seinen Anruf wünschte. Ich hätte mich rar machen und schreiben sollen: »Ruf mich nicht an« und so weiter.) Ich legte ihm das Blatt unter die Hand und ging an seinen Kühlschrank. Ich sah mir gern den Kühlschrankinhalt von coolen Leuten an. Aber außer einem Stück Pizza und einem Tortenbrie war er leer. Ich steckte mir den Käse in die Tasche und ging nach Hause.
Ich wollte mich dazu zwingen, zu Fuß durch den sonnigen Morgen zur Avenue A zu
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