Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
loslassen. Er ist weiterhin ein Teil von mir. Das haben wir beide gemeinsam.“
Nora fiel auf, dass sie ihn noch gar nicht gefragt hatte, welchen Beruf er vor seiner Erbschaft ausgeübt hatte. Aber aufgrund seiner Äußerungen konnte sie es sich nun an fünf Fingern abzählen: „Sie waren Psychologe, richtig?“
Hans öffnete die Hände. „Schuldig im Sinne der Anklage.“
15
Der Mörder war kein großer Fußballfan. Ihm war das Spiel insgesamt zu langsam. Er konnte sich mehr für Handball und Basketball begeistern. Bei diesen beiden Sportarten war das Spielfeld kleiner und garantierte somit einen schnelleren Schlagabtausch der jeweiligen Mannschaften. Das war schon eher nach seinem Geschmack.
Schnelligkeit und Action. Darauf stehe ich. Alles andere ist für Weicheier.
Trotz dieser Vorlieben parkte er seinen Wagen nun unweit eines Fußballstadions im Nordwesten der Stadt. Er schaltete den Motor ab, stieg aus seinem Auto und begab sich zum Kofferraum. Diesen öffnete er mit einem schnellen Handgriff. Dann griff er hinein, um sein drittes Opfer anzuheben.
Herrje, ist der Kerl schwer. Der wiegt bestimmt eine Tonne.
Der Mörder war zu seinem Glück sehr kräftig gebaut. Daher konnte er den Mann mit beiden Armen transportieren. Zumindest über eine kurze Distanz. Aber das reichte völlig aus.
Da es schon kurz vor Mitternacht war, brauchte er sich nicht um mögliche Zeugen zu scheren. Niemand würde ihn sehen. Schon gar nicht an diesem Ort.
Nachdem er sein Opfer kurz abgelegt hatte, schloss er den Kofferraumdeckel und holte eine Taschenlampe hervor. Diese nahm er in den Mund, um sich somit seinen Weg durch die Nacht zu leuchten. Unter größter Anstrengung hob er den Mann wieder auf die Arme und schleppte ihn über einen Trampelpfad bis zu einem dichten Gestrüpp.
Tja, Kumpel, da müssen wir durch. Es hilft alles nichts. Schließlich sollst du im richtigen Licht erscheinen.
Mit einem breiten Grinsen schritt der Mörder voran. Dabei wusste er genau, dass er nur lächelte, um seine innere Wut und Trauer zu überdecken.
Eigentlich ist mir zum Heulen zumute. Aber ich muss es jetzt durchziehen. Dazu werde ich gezwungen.
Ob ich will oder nicht.
16
Samstag, 29. Juni 2013
Als Thomas auf dem Parkplatz des Fußballstadions anhielt, musste er an seine Kindheit zurückdenken. Damals hatte er lange in den Jugendmannschaften des SV Göttingen gespielt. Zwischen seinem zehnten und sechzehnten Lebensjahr war Fußball sein Leben gewesen. Wenn er in seiner Freizeit nicht selbst an einem Training oder Spiel teilgenommen hatte, dann war er hergekommen, um den älteren Akteuren beim Spielen zuzuschauen. Zwar war er recht talentiert gewesen, doch mit der Zeit galt sein Interesse weniger dem Sport als vielmehr der Musik. Mit siebzehn Jahren gründete er seine eigene Rock’n’roll-Band, bestehend aus ihm selbst und einigen seiner Schulkameraden. Fortan war der Fußball immer mehr in den Hintergrund gerückt. Das ging so weit, dass Tommy schließlich ganz aus dem Verein ausgetreten war. Seitdem hatte er den Sportplatz nur noch selten betreten.
Es ist irre, wie sehr sich ein Mensch verändert. Die Interessen verlagern sich und das ganze Leben nimmt neue Formen an. Oft nimmt man diese Veränderung erst wahr, wenn man die Jahre Revue passieren lässt.
Mit einem Anflug von Nostalgie stieg Tommy aus seinem Wagen und schritt auf das Eingangstor des Stadions zu. Zwei Kollegen standen davor. Zwar war weit und breit weder ein Reporter noch ein neugieriger Zivilist zu sehen, doch das konnte sich schnell ändern. Daher war es notwendig, den Weg zum Tatort konsequent im Auge zu behalten.
Nachdem Thomas das Gittertor hinter sich gelassen hatte, sah er einen Ascheplatz vor sich. Daneben befand sich ein Rasenplatz. An dessen hinterer Längsseite erstreckte sich eine Tribüne. Diverse Bänke standen unter deren Dach in einer Reihe. Schnell erkannte Tommy, dass sich die Leiche dort drüben befinden musste. Denn er sah mehrere Kollegen sowie das Team der SpuSi. Um keine Zeit zu verlieren, begab er sich auf dem kürzesten Weg hinüber. Er ließ den Ascheplatz hinter sich und wollte schon das Rasenfeld überqueren, doch hinter ihm ertönte plötzlich eine Stimme: „Hey, Sie! Gehen Sie gefälligst außen herum! Ich habe den Platz gerade frisch gemäht!“
Thomas drehte sich um. In einiger Entfernung konnte er einen Mann sehen, der ihn wütend anstarrte. Er stand vor dem Vereinsgebäude, das sich hinter dem Ascheplatz befand.
„Ich bin von
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