Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
verlieren, konnte sie sich ungezwungen mit Hans unterhalten. Und sie spürte, wie sehr sie das brauchte. Es war eine Befreiung, die sie nicht hoch genug einschätzen konnte.
Sie selbst hatte sich für eine Forelle mit Salzkartoffeln entschieden. Hans machte sich über ein Wiener Schnitzel mit Spargel und Kroketten her. „Ich muss schon sagen, dass ich seit Jahren nicht mehr so gut gegessen habe“, sagte er, ehe er sich seinen Mund mit einer Serviette abtupfte.
Nora schluckte eine Kartoffel herunter und erwiderte: „Ja, es ist wirklich fantastisch. Verdient fünf Sterne.“
„Möchten Sie noch mehr Wein dazu?“
„Im Moment nicht, danke. Wie steht es mit Ihnen?“
„Ich könnte noch ein Glas vertragen.“ Hans griff zur Rotweinflasche und goss sich etwas ein.
„Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Hans?“
„Ich bitte darum.“
„Sie ist allerdings ziemlich persönlich.“
„Persönliche Fragen sind die besten. Alle anderen sind nur Zeitverschwendung.“
„Sie wirken auf mich wie ein sympathischer, zuvorkommender Mann. Sie können gut zuhören und führen ein tolles Leben. Wie kommt es, dass Sie nicht verheiratet sind?“
„Wer sagt denn, dass ich nicht verheiratet bin?“
„Sie tragen keinen Ehering.“
„Gut beobachtet. Als Ermittlerin achten Sie generell auf die Details, nicht wahr?“
„Es könnte auch nur daran liegen, dass ich eine Frau bin“, entgegnete Nora lächelnd.
„Ja, Frauen haben einen Blick für das Wesentliche. Das ist mir bewusst. Schließlich war ich mal mit einer wundervollen Frau verheiratet.“
„Was ist passiert?“
Hans schnitt sich ein Stück von seinem Schnitzel ab und schob es sich in den Mund. Nora bekam den Eindruck, dass er auf diese Weise Zeit gewinnen wollte, um sich eine Antwort zurechtzulegen.
„Sie müssen mir nicht antworten, wenn es Ihnen zu persönlich ist.“
„Doch, kein Problem. Wir haben uns auseinandergelebt“, antwortete Hans, nachdem er das Stück heruntergeschluckt hatte. „Irgendwann kam der Punkt, an dem wir es uns beide eingestehen mussten. Eigentlich hatten wir es schon Monate vorher gewusst. Aber eine Ehe gibt man nicht einfach so auf, wenn es schwierig wird. Man muss sich anstrengen und Kompromisse schließen. Jedoch wurde es mit der Zeit immer schlimmer. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Unsere Interessen liefen in unterschiedliche Richtungen.“
„Wie lange waren Sie verheiratet?“
„Fünf Jahre. Vielleicht ist es damals einfach zu früh gewesen. Mit einundzwanzig Jahren gaben wir uns das Ja-Wort. Dabei kannten wir uns erst seit kurzer Zeit. Wir waren naiv und blind vor Liebe.“ Er seufzte. „Im Endeffekt haben wir uns im Guten getrennt. Das war sicherlich das Beste, das wir machen konnten.“
„Und seitdem leben Sie alleine?“
„Ich habe mich immer mehr zurückgezogen. Das war meine eigene Entscheidung. Eine zweite Ehe kam für mich nicht in Betracht.“
„Wieso nicht?“
„Ich habe meine Exfrau über alles geliebt. Aber als ich einsehen musste, dass unsere Ehe nicht mehr halten würde, wurde mir eines bewusst: Ich bin nicht dazu bestimmt, mein ganzes Leben mit ein und demselben Menschen zu verbringen. Wenn es schon nicht mit meiner Exfrau klappen sollte, dann würde es mit einer anderen Frau erst recht nicht funktionieren. Das weiß ich genau, weil ich für meine Ex die stärksten Gefühle entwickelt habe, die ich mir überhaupt vorstellen kann. Niemals zuvor hatte ich eine solche Liebe gespürt.“
„Und auch nie mehr danach?“
„Nein. Deshalb lebe ich jetzt alleine.“
„Sie glauben also, niemals wieder eine vergleichbare Verbindung zu jemandem aufbauen zu können.“
Hans nickte. „Vielleicht habe ich nur Angst, noch einmal eine Ehe in den Sand zu setzen. Ich halte mich zu sehr an der schönen Erinnerung fest, die ich mit den ersten Ehejahren verbinde. Aber ich kann es nicht ändern. Außerdem gefällt mir mein derzeitiges Leben ganz gut. Ich weiß zwar, dass es mit der richtigen Frau noch besser sein würde, aber irgendwann käme der Schmerz wieder. Das möchte ich nicht noch einmal erleben.“
„Der Schmerz muss nicht zwangsläufig wiederkommen. Bei einer zweiten Ehe könnte alles perfekt zusammenpassen. Bis zum Ende Ihres Lebens.“
„Es könnte so sein. Das reicht mir aber nicht. Ich bräuchte die absolute Gewissheit, um noch einmal eine enge Bindung zu einer Frau einzugehen.“
„Absolute Gewissheit gibt es in keinem Lebensbereich.“
„Wieso sollte ich dann aber etwas riskieren,
Weitere Kostenlose Bücher