Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
Biro die Worte verstanden hätte, aber der Sinn war klar.
Erleichterung.
Auf dem Weg zum Pfarrbüro kam ihm ein junger Mann im weißen Kittel und mit einer Schachtel auf dem Arm entgegen. Dr. M. Keefer, Assistenzarzt im County General Hospital.
Trotz Neunzig-Stunden-Woche hatte er Zeit für ein Ehrenamt.
Raul sagte: »Hallo, Doc. Diesen Typ schon mal gesehen?«
M. Keefer sagte: »Nein, tut mir leid«, und sauste die Treppe hinunter.
Das Pfarrbüro war verschlossen und der prachtvolle mit Marmor ausgestaltete Altarraum verwaist. Raul kehrte zu seinem Wagen zurück und besorgte sich die Telefonnummer für eine gewisse Dr. Anna Q. Mendes in Boyle Heights.
Die Empfangskraft antwortete auf Spanisch, und vielleicht lag es an Biros netter Art, vielleicht auch nicht, jedenfalls sagte sie: »selbstverständlich«, und einen Augenblick später meldete sich eine warme weibliche Stimme: »Dr. Mendes, was kann ich für Sie tun?«
Sie hörte sich Biros Ausführungen an und sagte: »Der Schilddrüsenfall. Klar, die Überweisung für die MRT hat er von mir. Er wollte ein neues Rezept für sein Synthroid, aber seine medizinische Überwachung erschien mir ziemlich lückenhaft. Ich fand, dass er ein wenig unterdosiert aussah, außerdem war es höchste Zeit, seinen Hals mal wieder gründlich zu untersuchen. Er wollte zuerst nicht, doch sein Therapeut half mir, ihn zu überreden.«
»Sein Therapeut?«
»Ein Psychologe, der ihn begleitet hat. Er kam etwas später dazu. Ich fand dieses Ausmaß an Fürsorge ziemlich beeindruckend. Zumal der Therapeut in Beverly Hills praktizierte und Huggler mit Sicherheit kein zahlungskräftiger Privatpatient war.«
Biro war überrascht, wie lässig sie mit den Fakten um sich warf. So bereitwillig, wie sie Auskunft gab, fragte er sich, ob sie nicht die anonyme Anruferin war.
Er sagte: »Hat der Psychologe seinen Namen genannt?«
»Hat er, aber ich kann mich nicht erinnern.«
»Dr. Shacker?«
»Wissen Sie was, das könnte er sogar gewesen sein«, sagte Anna Mendes. »Er sah sofort ein, dass wir, um die Dosierung anpassen zu können, bessere Daten benötigen. Vorläufig habe ich Mr. Hugglers Dosis ein klein wenig erhöht und ihm ein Rezept für drei Monate ausgeschrieben.«
»Können Sie mir sonst noch etwas über Huggler sagen?«
»Sie sagten, Sie sind von der Mordkommission«, sagte Mendes. »Er hat also aller Wahrscheinlichkeit nach jemanden getötet.«
Biro hatte die Mordkommission nicht erwähnt. Und aller Wahrscheinlichkeit nach hätte er auch ein Opfer sein können.
Sie war ganz sicher die anonyme Anruferin.
»Sieht danach aus, Doktor.«
»Mein Bruder ist vor sechs Jahren ermordet worden«, sagte sie. »Aus dem Auto heraus. Der Schwachkopf hat ihn mit einer Kalaschnikow durchsiebt, während er im Bett lag und schlief. Falsche Adresse, dumm gelaufen.«
»Das tut mir sehr leid.«
»Der Scheißkerl wurde nie gefasst. Deshalb rede ich mit Ihnen. Wenn jemand einen anderen Menschen umbringt, soll er dafür bestraft werden. Leider kann ich Ihnen zu Huggler nicht mehr sagen.«
»Wie ist er aufgetreten?«
»Ruhig, passiv, hat nicht viel gesagt und kaum Augenkontakt gesucht. Er war sogar so ruhig, dass ich schon überlegte, ob er vielleicht irgendeine psychische Störung hat.«
»Könnte die auf seine Schilddrüse zurückzuführen sein?«
»Auf keinen Fall«, sagte sie. »Eine leichte Unterfunktion, wie ich sie bei ihm vermutet habe, kann allenfalls langsam und antriebsarm machen und zu leichtem Übergewicht führen. Manchmal wird auch das Wärmeempfinden gestört, das ist mir bei ihm als Erstes aufgefallen. Er war für das Wetter viel zu warm angezogen, trug einen dicken Kunstfellmantel. Ich konnte meine Diagnose allerdings nicht überprüfen, weil er nie wieder auftauchte und ich die MRT -Ergebnisse nie gesehen habe.«
»Ist zu erwarten, dass die Krankheit schlimmer wird?«
»Nicht, solange er seine Medikamente nimmt. Selbst mit der alten Dosierung war er alles andere als ein Schwächling. Ich habe ihn mir angesehen, und sein Muskeltonus war richtig gut. Ausgezeichnet, um ehrlich zu sein. Er hatte dicke Muskelpakete. Durch die Kleidung konnte man das gar nicht sehen, da wirkte er eher korpulent.«
»Warme Kleidung, die er trug, weil ihm kalt war.«
»Das könnte auch ein Anzeichen für eine Geisteskrankheit sein, man hat das hin und wieder.«
Biro sagte: »Apropos Geisteskranke, in der Klinik wurde mir gesagt, dass Lem Eccles Ihr Patient war.«
»War? Ist ihm was
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