Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
heraus. Wahllos verteilt informierten gewellte Poster über Geschlechtskrankheiten, Impfungen oder Ernährung. Alles in offiziellem Bürokraten-Spanisch.
Das Wartezimmer war kein Zimmer, sondern ein Bereich, der von drei Seiten durch aufeinandergestapelte lange Holzklapptische eingegrenzt war. Die aufgereihten Gartenstühle waren zur Hälfte besetzt, ausschließlich von Latinas, die mit gesenkten Augen dasaßen und so taten, als würden sie Biro gar nicht sehen.
Auf dem Weg zum Empfangstisch zogen sein makelloser beiger Anzug, das weiße Hemd und die olivefarbene Seidenkrawatte mit Paisleymuster ein paar bewundernde Blicke auf sich. Als er seine Marke aufblitzen ließ, schnappte jemand nach Luft und alle Augen schossen wieder zu Boden.
Ganz offensichtlich war das hier eine Anlaufstelle für Illegale. Biro hätte am liebsten laut gerufen, dass er nicht von der Einwanderungsbehörde sei.
Einen Vorteil hatte das Ganze: ein Weißer wie Huggler würde hier auffallen. Vielleicht brachte ihn das weiter.
Die Empfangsdame war ebenfalls Latina, eine gepflegte, falsche Blondine Ende zwanzig, mit ein paar Extra-Polstern an den richtigen Stellen.
Kein Namensschild, kein lächelndes Willkommen.
Raul grinste sie trotzdem an und erklärte, was er wollte.
Ihre Miene verschloss sich. »Unsere Ärzte arbeiten alle ehrenamtlich, sie kommen und gehen. Ich weiß nicht, mit wem Sie da sprechen sollten.«
Raul sagte: »Mit dem Arzt, der Grant Huggler behandelt hat.«
»Ich weiß nicht, wer das ist.«
»Der Arzt oder Grant Huggler?«
»Sowohl als auch«, antwortete die Empfangsdame. »Weder noch.«
»Könnten Sie bitte in Ihren Akten nachsehen?«
»Wir haben keine Akten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wie ich es sage. Wir haben keine Akten.«
»Wie kann man eine Klinik führen, ohne Aufzeichnungen zu machen?«
»Es gibt Aufzeichnungen«, sagte sie. »Aber die Ärzte nehmen sie mit, wenn sie gehen.«
»Warum?«
»Es sind ihre Patienten, nicht unsere.«
Biro sagte: »Ach, kommen Sie.«
»So läuft es bei uns«, erwiderte sie. »So ist es immer gewesen. Wir sind keine offizielle medizinische Einrichtung.«
»Was sind Sie dann?«
»Ein Raum.«
»Ein Raum?«
»Die Kirche stellt Raum für besondere Angebote zur Verfügung.«
So wie sie das sagte, klang es wie aus einer einstudierten Rede. Diese Einrichtung war definitiv für Illegale gedacht. Für verängstigte Menschen mit Gott weiß welchen Krankheiten, die sich nicht trauten, das offizielle Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen, obwohl auch dort keine Fragen gestellt wurden. Er musterte die Frauen auf den Klappstühlen. Sie taten immer noch so, als wäre er nicht da. Keine davon sah wirklich krank aus, aber man wusste ja nie. Seine Mutter hatte ihm gerade erst von einer ihrer Freundinnen erzählt, die Verwandte in Guadalajara besucht hatte und mit Tuberkulose zurückgekommen war.
Wie immer, wenn sie so etwas erzählte, hatte sie dabei geklungen, als stünde es in Rauls Macht, solche Katastrophen zu verhindern.
Er sagte: »Es gibt also keine Patientenakten?«
Die Empfangsdame antwortete: »Nicht eine.«
»Das klingt ein bisschen desorganisiert, Miss …«
»Genau genommen ist es sogar super organisiert«, sagte sie, ohne ihren Namen zu nennen. »Auf diese Weise sind wir flexibel.«
»Inwiefern?«
»Wenn die Kirche den Raum für etwas anderes braucht, können wir rasch alles beiseiteschieben.«
»Wie oft sind die Ärzte denn hier?«
»Fast jeden Tag.«
»Dann wird ja nicht viel geschoben.«
Schulterzucken.
Raul beugte sich vor und sagte in leicht verhaltenem Ton: »Hier warten Leute, aber ich sehe keine Ärzte.«
»Dr. Keefer muss gleich kommen.«
»Wann?«
»Bald. Aber er kann Ihnen nicht helfen.«
»Warum nicht?«
»Er ist neu. Gestern war sein erster Tag, er wird also Ihren Mr. Sowieso nicht kennen.«
»Huggler.«
»Komischer Name.«
Biro sah sie an.
Sie sagte: »Ich kenne ihn nicht.«
Er hielt ihr seine Visitenkarte hin.
Sie sagte: »Ihre Marke haben Sie mir schon gezeigt. Ich glaube Ihnen, dass Sie von der Polizei sind.«
»Sehen Sie, was hier steht?«
Ein kurzes Zögern. »Okay.«
»Mordkommission«, sagte Biro. »Ich bin dafür zuständig, Morde aufzuklären, sonst nichts.«
»Okay.«
»Grant Huggler hat vielleicht einen komischen Namen, aber er steht unter Verdacht, mehrere wirklich bestialische Morde begangen zu haben. Er muss gestoppt werden, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.«
Er warf einen Blick über die Schulter auf die
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