Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
wartenden Frauen, um anzudeuten, dass sie ebenfalls zu Opfern werden könnten.
    Die Empfangsdame klimperte mit den Augendeckeln.
    Er zeigte ihr die Zeichnung.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihn nicht. Wir wollen hier keine Mörder. Wenn ich ihn kennen würde, würde ich es Ihnen sagen.«
    »Sind Sie hier die einzige Empfangskraft – wie ist Ihr Name?«
    »Leticia. Nein, bin ich nicht. Hier gibt es jede Menge Ehrenamtliche.«
    »Wie viele sind ›jede Menge‹?«
    »Ich weiß nicht.«
    Er holte eine vergrößerte Kopie von James Pittson Harries eingezogenem Führerschein heraus. »Wie ist es mit ihm?«
    Zu Biros Überraschung wurde sie blass.
    »Was ist?«
    »Er ist ein Arzt.«
    »Was für einer?«
    »Psychologe«, sagte sie. »Therapeut. Er war mal hier, um sich zu erkundigen, kam aber nie wieder.«
    »Worüber hat er sich erkundigt?«
    »Ob wir auch für Versicherungen arbeiten. Er meinte, damit hätte er viel Erfahrung, er könnte Patienten mit Unfall- oder Verletzungsfolgeschäden helfen. Ich sagte ihm, dass wir so was hier nicht machen. Er hat mir seine Karte gegeben, aber ich habe sie weggeworfen. Ich habe nicht mal seinen Namen gelesen.«
    »Aber Sie erinnern sich an ihn?«
    »Normalerweise kommen Ärzte nicht hierher, um sich zu bewerben.«
    »Wie ist er aufgetreten?«
    »Wie ein Arzt.«
    »Soll heißen?«
    »Professionell. Er sah nicht aus, als wäre er einer von denen , aber wahrscheinlich war er doch so einer.«
    »Was für einer?«
    »Ein Schnüffler, der im Auftrag von Rechtsanwälten nach potenziellen Schadensersatzklagen sucht. Solche tauchen ab und zu hier auf.«
    »Um Ihre Patienten auszunutzen?«
    Nicken. Kein Versuch zu bestreiten, dass das hier nicht unsere Patienten seien.
    »Mr. Harrie hat Ihnen also erzählt, er sei Psychologe.«
    »Oder Psychiater, so genau weiß ich es nicht mehr. Ist er das nicht?«
    »Nein.«
    »Oh.«
    »Wie hat er reagiert, als Sie ihn abgewiesen haben?«
    »Er hat sich bedankt und hat mir seine Karte gegeben.«
    »Wie lange liegt das zurück?«
    »Schon eine Weile«, sagte Leticia. »Ein paar Monate.«
    »Wie viele?«
    »Ich weiß nicht – fünf, sechs vielleicht.«
    »Und trotzdem erinnern Sie sich an ihn.«
    »Ich sagte doch, es war ungewöhnlich«, erklärte sie. »Außerdem war er weiß. Normalerweise kommen hier eben nicht viele Weiße vorbei, außer Obdachlose, die direkt von der Straße reinschneien.«
    Raul öffnete seine Aktenmappe und zeigte ihr ein Polizeifoto von Lemuel Eccles. »Wie er zum Beispiel?«
    »Klar, das ist Lem. Er ist ab und zu hier.«
    »Weswegen?«
    »Das müssen Sie schon seinen Arzt fragen.«
    »Wer ist das?«
    »Dr. Mendes.«
    »Vorname?«
    »Anna.«
    Raul hielt ihr das Foto vor das Gesicht. Sie wandte sich ab.
    Er sagte: »Lem ist also ab und zu hier, aber dieser Weiße hier« – er hielt die Zeichnung von Huggler hoch – »über den wissen Sie nichts?«
    »Korrekt. Kennen die zwei sich oder so was?«
    »Das könnte man sagen.«
    »Den anderen auch? Den Psychologen?«
    »Was können Sie mir noch über Lem sagen?«
    »Nur dass er hierherkommt«, sagte sie. »Er kann schwierig sein, aber meistens ist er okay.«
    »Schwierig, inwiefern?«
    »Nervös, irgendwie überdreht. Redet mit sich selbst. Als ob er nicht alle Tassen im Schrank hätte.«
    »Als ob?«, sagte Biro.
    »Wir erlauben uns kein Urteil.«
    »Haben Sie eine Liste der anderen Empfangskräfte?«
    »Ich habe keine Listen, und ich weiß auch nicht, wer die anderen sind, denn ich bin nur hier, wenn niemand anders da ist.«
    »Und Sie tun das ehrenamtlich.«
    »Ja.«
    »Über welche Agentur?«
    »Über gar keine. Das lasse ich mir als gemeinnützige Arbeit anrechnen.«
    Für eine Schülerin, die eine bestimmte Anzahl an Community-Service-Stunden anhäufen musste, um ihren Highschool-Abschluss zu machen, war sie zu alt. Und wie ein Exhäftling oder sonstiger Unruhestifter sah sie nicht aus. »In welchem Zusammenhang?«
    »Für ein Seminar. ›Probleme innenstädtischer Zentren‹. Ich studiere an der California State.«
    »Meinen Sie, dass es vielleicht oben im Gemeindebüro eine Liste gibt?«
    »Schon möglich.«
    Biro sagte: »Okay, ich lass Ihnen meine Karte da, wie Mr. Harrie, aber bitte werfen Sie sie nicht weg.«
    Sie zögerte.
    »Nehmen Sie sie, Leticia. Man muss kein Ehrenamt ausüben, um Gutes zu tun.«
    Ihre Kinnlade sackte hinunter. Raul stieg die Treppe zum Kirchenschiff hoch. Eine der Frauen auf den Gartenstühlen sagte etwas auf Spanisch. Es war zu leise, als dass

Weitere Kostenlose Bücher