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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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bekommen.«
    Injiziert bekommen? »Das bedeutet, sie war bereits alkoholisiert, als sie die Spritzen mit dem Schmerzmittel bekam«, folgerte Pulaski.
    »Die Kleine war so betrunken, dass sie mit der Spritze nicht einmal ihren eigenen Arm getroffen hätte, und schon gar nicht die Vene.«
    »Und noch dazu als Linkshänderin in die linke Armbeuge«, ergänzte Pulaski. Er dachte an die Standbildaufnahme des Grauhaarigen, der um drei Uhr nachts über die Mauer der Anstalt geklettert war. »Weißt du, wann Natascha gestorben ist?«
    »Entsprechend der Temperatur in der Leber zwischen 4.30 Uhr und 5.00 Uhr früh. Ich muss noch den Laborbefund abwarten, aber ich schätze, Folgendes ist passiert…«
    Pulaski hörte, wie sie durch einige Papiere blätterte.
    »Paracetamol wird in der Leber abgebaut. Bei einer Überdosis können die Stoffe nicht mehr neutralisiert werden und greifen die Leberzellen an. In Verbindung mit Alkohol kommt es zu einer Übersäuerung im Stoffwechsel…«
    »Klartext bitte, ich bin kein Arzt.«
    »Natürlich … sie hatte ein Leberversagen und starb an dem darauf folgenden Gehirnkoma.«
    »Klingt danach, als wäre der Mörder ein Arzt?«
    »Nicht unbedingt. Er hätte nur einen Blick in ihre Akte werfen müssen, um festzustellen, dass sie magersüchtig war und an einer Lebererkrankung litt. Den Rest schlägt er bei Wikipedia nach.«
    So einfach war es sicher nicht gewesen, dachte Pulaski. Er sah, wie die Taste der zweiten Leitung auf seinem Telefon blinkte.
    »Danke, Meike, ich muss …«
    »Eine Sache ist mir noch aufgefallen«, unterbrach sie ihn. »Rasch!« Er starrte auf das Blinken.
    »Keine Spuren eines Kampfes, keine Spuren äußerer Gewaltanwendung, keine fremden Haut- oder Blutspuren unter ihren Fingernägeln. Zuerst dachte ich, die Kleine kannte ihren Mörder und hat sich deshalb nicht gewehrt, doch dann entdeckte ich den wahren Grund.«
    Pulaski starrte auf die Lampe. »Und?«
    »Zwei winzige Einstiche in den Schultern, durch den Stoff des Nachthemds. Mir fiel auf, dass die Muskeln ihrer Oberarme unnatürlich schlaff waren. Die toxikologische Untersuchung des Blutes fehlt noch, aber ich nehme an, sie bekam eine Dosis Botox intramuskulär verabreicht.«
    »Schlangengift?«
    »So ähnlich. Das Mittel wird gewöhnlich gegen Krämpfe verwendet. Es blockiert die Nervenimpulse, wodurch sich die Muskeln nicht mehr wie gewohnt anspannen lassen. Hoch dosiert wirkt es wie ein Lähmungsgift, das auf der Stelle bewegungsunfähig macht.«
    »Ihr Mörder hat sie zuerst betäubt, dann betrunken gemacht und ihr anschließend die Spritzen gesetzt«, sinnierte Pulaski. »Danke, du bist ein Schatz!« Er legte auf und nahm das Gespräch auf der anderen Leitung entgegen.
    Es war Biber, der Graphologe des Kommissariats.
    »Ich habe die Schrift des Abschiedsbriefs mit der in dem Tagebuch und der aus den anderen Unterlagen der Anstalt verglichen.«
    Pulaski griff zur Kaffeetasse. »Stammen sie von derselben Person?«
    »Das solltest du dir selbst ansehen.«
    Pulaski setzte die Tasse ab, ohne davon getrunken zu haben. »Biber, das ist eine einfache Frage! Ist es die Handschrift derselben Person?«
    »Ja und nein … am besten, du kommst rüber.«
     
    22
     
    Zwei Büros weiter starrte Pulaski auf den Monitor. Biber hatte die unterschiedlichen Dokumente eingescannt. Grüne Linien verbanden die markanten Punkte der Schrift.
    »Einige Kritzeleien aus den Therapiesitzungen stimmen mit der Schrift aus dem Tagebuch vollkommen überein.«
    Biber klickte weitere Bilder an. »Aber einige Mitschriften sind definitiv von anderen Personen, obwohl sie laut Angabe des Chefarztes von Natascha stammen.«
    Pulaski dachte an Doktor Sonja Willhalms Worte. Nein, Sie haben keine Ahnung, wovon ich spreche. Ich meinte, sie selbst hat das geschrieben, keine ihrer Teilpersönlichkeiten.
    Natascha hatte an multipler Persönlichkeitsstörung gelitten. Die Folgen dieser Krankheit trieben wohl jeden Schriftexperten zur Verzweiflung.
    »Und der Abschiedsbrief?«
    »Der stimmt wiederum zu achtzig Prozent mit dem Tagebuch überein.« Biber klickte auf ein weiteres Bild. Grüne Linien verbanden die Wörter.
    Ich versuche, immer gut zu sein, aber in meinem Inneren bin ich böse, schmutzig und eine Hure.
    »Die geringe Abweichung kommt zustande, weil die Schrift fahrig und kraftlos ist, als hätte das Mädchen unter Alkoholeinfluss gestanden.«
    … oder unter einer Dosis Botox in der Schulter, dachte Pulaski.
    Er war mit seinen Ermittlungen bisher

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