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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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weiter gingen die Stimmen bereits zwischen Gläserklirren und Pianogeklimper unter. Die subtilen Klänge geistiger Seichtheit…
    Einige Tische weiter das Gleiche: Achselschweiß, Zigarrenqualm und eine süße Melange aus Parfüm und Aftershave. Smalltalk, wohin man hörte, nichtssagende Worte nichtssagender Menschen. Es schien, als redeten sie nur, um sich oder ihrem Gesprächspartner zu gefallen.
    Dann sah sie ihn endlich. Er wirkte älter ab auf dem Foto, das sie gefunden hatte - und beleibter. Das Hemd spannte sich wie die Hülle eines prallen Ballons über seinen Bauch, die Krawatte baumelte viel zu kurz über der Wölbung der Knoten so eng gezogen wie der Gürtel seiner Hose. Schweiß auf der Stirn, im Nacken und auf den Wangen. Im Licht der Deckenstrahler glänzte er wie ein Schwein. Und er war so fett, dass er das Sakko nicht hätte zuknöpfen können, selbst wenn er gewollt hätte. Gestenreich unterhielt er sich mit einigen anderen Männern. Weit und breit war keine Frau in der Nähe …Es würde leicht werden, zumindest leichter als in den Tagen davor.
    Sie steuerte direkt auf ihn zu. Noch wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Etwas Geistreiches wäre pure Verschwendung gewesen. Also sagte sie etwas Belangloses, als sie vor ihm stand und ihn mit ihren Stöckelschuhen beinahe um einen Kopf überragte.
    »Wissen Sie, wo die Toiletten sind?«
    Die Männer warfen sich für einen Moment diesen Blick zu, der alles sagte. Verhalten - mit dem Anflug eines Schmunzelns im Mundwinkel.
    Da sie die anderen geflissentlich ignorierte und nur ihn betrachtete, machte er als Erster den Mund auf.
    »Eine junge Dame in Nöten.« Er grinste. »Folgen Sie mir, an meiner Seite sind Sie sicher, ich bahne Ihnen den Weg.«
    Was für ein Idiot!
    Sie hakte sich schamlos bei ihm unter und folgte ihm zu den Toiletten. Er schnaubte wie ein Pferd. Sie spürte förmlich den Schweiß durch den Ärmel seines Sakkos. Unter den Kleidern stank er bestimmt wie ein Tier. Der Gedanke verursachte ihr Übelkeit.
    »Könnten Sie das für mich halten?« Sie drückte ihm ihr Täschchen in die Hand und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten, auf die Toilette.
    In der Kabine zählte sie langsam bis zehn, betätigte die Spülung, atmete jeweils tief durch und versuchte, seinen Geruch zu verdrängen. Anschließend kehrte sie in den Korridor zurück, wo er wie ein Hündchen auf sie wartete.
    »Kommen Sie aus Deutschland?«, fragte er.
    Wie geistreich!
    »Ich bin durstig wie ein Pferd«, sagte sie statt einer Antwort.
    Er hielt nach dem Kellner Ausschau. »Ich könnte …«
    »Der Sekt hier schmeckt wie das Eiswasser im Kübel«, fiel sie ihm ins Wort, bevor er auf eine blöde Idee kam. »Und das Gedränge geht mir auf die Nerven.«
    »Ich mag Benefizveranstaltungen auch nicht.« Er zögerte. »Ich kenne ein Lokal, in dem wir ungestört wären.«
    Wären? Sprach da etwa die Hoffnung aus ihm? Manchmal wunderte sie sich, ob Männer überhaupt etwas im Kopf hatten. Was dachte er bloß? Dass sie tatsächlich mit jemandem wie ihm ein Lokal betreten würde?
    »Wo?«, fragte sie.
    »Gleich um die Ecke.«
    Sie zwinkerte ihm zu. »Sind wir dort entrez-nous?« Er überlegte einen Moment. »Wenn Sie möchten, könnten wir auch ins Entrez-Nous fahren, das ist zwar etwas weiter, aber…«
    »Ah, oui.« Es war perfekt! Sie lächelte. »Ich sage nur rasch meinen Eltern Bescheid.«
    Für einen Moment fiel ihm die Kinnlade runter.
    Sie lachte laut auf und hielt sich die Hand vor den Mund. »War nur ein Scherz. Mein Begleiter hat mich hier sitzen lassen. Fahren wir!«
     
    Das Entrez-Nous hielt, was es versprach. Eine kleine, miese, schummrige Bar, in der man zumindest ungestört war. Besonders in der Nische am Ende des Tresens. Zum Glück erkannte sie der Kellner nicht wieder, als sie an ihm vorbeimarschierte.
    Nach ein paar Gläsern Sekt, die ihren Begleiter bestimmt eine schöne Stange Geld kosten würden, begann er endlich, sie zu befummeln. Normalerweise ließ sie einen Spaghettiträger des Sommerkleids wie zufällig über die Schulter fallen, um ihrem Gegenüber einen tieferen Einblick in ihr Dekollete zu gewähren. Doch diesmal war es nicht notwendig. Am liebsten wäre er schon während der Autofahrt zur Bar wie ein Hengst auf sie gesprungen. Sie hatte ihn gerade noch überreden können, ihr einen Drink zu spendieren, bevor er ihr im Wagen an die Wäsche gehen konnte. Bei ihm zu Hause ging es nicht - seine Alte war da und wartete, dass er von der Veranstaltung

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