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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Smolles Aussage. Soviel ich weiß, landete sie in einer geschlossenen Anstalt in Hamburg … Kinderpsychiatrie Ochsenzoll … aber dort ist sie nicht mehr.
    Doch sie war dort!, dachte Evelyn. Und das war ihre einzige Spur zu Lisa.
     
    50
     
    Die Fahrt war beschwerlicher als gedacht. Das Scheinwerferlicht bot nicht mehr als zehn Meter Sicht. Es goss wie aus Kübeln. Die Scheibenwischblätter arbeiteten auf der höchsten Stufe, und trotzdem glich die Windschutzscheibe einem Meer aus Regentropfen, wie es Pulaski noch nicht erlebt hatte.
    Selbst auf der Autobahn konnte er nicht schneller als siebzig km/h fahren. Ihm schien, als befände sich der Wolkenbruch ständig über ihm, egal wie weit und wohin er fuhr. Dazu spritzte das Fahrbahnwasser in regelmäßigen Abständen an den Seitenscheiben empor.
    Doktor Vobelski hatte ihm die Telefonnummer der Psychiatrie Ochsenzoll auf ein Post-it gekritzelt, das nun auf dem Lenkrad klebte. Pulaski versuchte es immer wieder, doch niemand ging ran. Ein Band wiederholte beharrlich, dass alle Leitungen besetzt seien und er der nächste Anrufer in der Warteschleife sei.
    So lange konnte er nicht warten, da der Akku des Handys knapp davor war, den Geist aufzugeben. Also drückte er im Zehn-Minuten-Takt auf die Wahlwiederholung.
    Da ihm immer wieder die Augen zufielen, öffnete er das Seitenfenster einen Spaltbreit. Das Tosen des Gewitters, die frische Luft und der Sprühregen, der ins Wageninnere spritzte, hielten ihn wach.
    Als der erste helle Streifen am Horizont zu erkennen war, hob endlich jemand ab. Der Klang der Stimme schmeckte wie Nektar und Ambrosia zugleich.
    Wegen des schwachen Akkus kam er ohne Umschweife zur Sache. »Hier spricht Walter Pulaski von der Kriminalpolizei Leipzig. Ich habe eine dringende Anfrage bezüglich einer Ihrer Patientinnen. Ihr Name ist Lisa Gurdijew. Ist sie noch bei Ihnen in Behandlung, oder wissen Sie, wo sie sich zurzeit befindet?«
    Das lange Schweigen am anderen Ende der Verbindung zehrte an Pulaskis Nerven. »Wer, sagten Sie, ist am Apparat?«
    »Oh Gott …« Bestimmt hatte er eine kleine blonde Sprechstundenhilfe in der Leitung, die um diese Uhrzeit noch kein Auge aufbekam. »Kriminalpolizei Leipzig! Ist eine Patientin namens Lisa Gurdijew bei Ihnen in Behandlung?«
    »Einen Moment… können Sie den Namen buchstabieren?«
    »Gustav, Ulrich, Richard, Dora …«
    »Nein, ich meine Ihren Namen!«
    »Verdammt!« Pulaski schlug mit der freien Hand auf das Lenkrad. »Sagen Sie mir, ob eine Lisa Gurdijew in Ihrer Anstalt ist, oder verbinden Sie mich mit Ihrem Vorgesetzten!«, brüllte er.
    »Ja, ja …«, murrte sie.
    Pulaski hörte das Klappern einer Computertastatur.
    »Lisa Gurdijew ist seit zehn Jahren hier. Sie ist eine Bewohnerin unserer geschlossenen psychiatrischen Abteilung. Mehr darf ich Ihnen am Telefon nicht verraten.«
    »Ist sie noch am Leben?«
    »Was?«
    »Ob sie noch am Leben ist?«
    »Natürlich.«
    In der Spiegelung der Windschutzscheibe sah Pulaski, wie das Licht des Handydisplays erlosch. Im gleichen Moment erklang der summende Warnton.
    »Mein Akku ist gleich leer. Sorgen Sie dafür, dass sie sofort unter Polizeischutz gestellt wird. Rufen Sie die Hamburger …«
    Die Verbindung war tot. Pulaski zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen. Zornig warf er das Handy auf den Beifahrersitz.
    Als er an der Abfahrt nach Rotenburg vorbeikam, starrte er auf die Anzeigen des Armaturenbretts. Er hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich. Nur noch neunzig Kilometer, dann war er in Hamburg und würde der Telefontante den Arsch aufreißen!
     
    51
     
    Sie lauschte an der Tür, dann presste sie den Finger auf die Klingel. Sein Name stand in breiten Lettern auf dem Türschild. Sie hatte ihn beobachtet. Seit Tagen. Sie wusste, er war zu Hause.
    Wieder läutete sie, bis sich endlich die Wohnungstür öffnete. Als er vor einer Stunde auf der anderen Straßenseite aus seinem Wagen gestiegen war, hatte er anders ausgesehen. Jetzt, aus unmittelbarer Nähe betrachtet, wirkte er älter und schmächtiger und mit dem von Akne leicht vernarbten Gesicht und dem blonden Seitenscheitel wie ein in die Jahre gekommener Dandy. Er trug Jeans und ein Poloshirt. Der weibische Gang war ihr schon vorher aufgefallen. Fehlten noch das Halstuch und das passende Aftershave.
    Er starrte sie fragend an. Sein Blick wanderte nicht an ihrem Körper hinunter. Nicht einmal unwillkürlich, für einen flüchtigen Moment. Genervt fixierte er ihre Augen. »Sie …?«
    In

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