Rachespiel
sie.
Sie rollte ihren Drehstuhl schräg vor den Computer und schaltete ihn an, um zu recherchieren, ob dieser Henly irgendwelche Vorstrafen hatte.
Während sie darauf wartete, dass der Rechner hochfuhr, blätterte sie mit dem Daumen weiter durch die Zeugenaussagen. Als das Computersurren aufhörte, doppelklickte sie auf das PULSE -Icon auf dem Bildschirm und gab ihre Kennnummer ein. Gestern hatte sie die Besitzerin des Jaguars, Rosita Fitzmaurice, ausfindig gemacht und befragt. Jetzt stellte sie fest, dass noch jemand anders in der Reihe vor der Kasse denselben Nachnamen hatte. Sie las die entsprechende Aussage besonders aufmerksam. Dem angege benen Geburtsdatum zufolge war Hugo Fitzmaurice zwan zig Jahre alt. Dann musste er der junge Typ auf den Bändern der Überwachungskamera sein, dessen Gesicht teilweise von einer Kapuze verdeckt gewesen war, schloss sie. Hugo hatte dieselbe Adresse wie Rosita Fitzmaurice, und ihr wurde schlagartig klar, dass sie ihm schon begegnet war: der junge Mann mit Aknehaut und smartem An zug in Clontarf, der Rosita herumkommandiert und sie »Mutter« genannt hatte. Keiner von beiden erwähnte in seiner Aussage, dass sie sich zusammen in der Tankstelle aufgehalten hatten, was höchst verdächtig war.
Den Fitzmaurices gehörte das Triton-Hotel, und Jo vermutete, dass der Fahrer des Hiace-Transporters, Marcus Rankin, ebenso wie Tara dort arbeitete. Wenn also Tara, Rankin, Rosita und Hugo Fitzmaurice alle mit dem Triton in Verbindung standen und sie alle an dem bewussten Abend dieselbe Tankstelle aufgesucht hatten, dann war das an sich schon eine ganz neue heiße Spur.
Sie rief beim Finanzamt an und fragte unter Angabe von Marcus Rankins Sozialversicherungsnummer nach seinen Auftraggebern. Als sie gerade die Informationen durchgegeben bekam, klopfte es an ihrer Tür, und Dan kam mit ernstem Gesicht herein. Jo beendete den Anruf schnell und legte auf.
»Okay, du hast deine Ermittlung wegen des Mordes und des vermissten Jungen«, verkündete er und ließ sich in den Besucherstuhl sinken. »Wen und was brauchst du?«
Jo klatschte in die Hände, bevor sie ihn genauer in Augenschein nahm. »Warum die plötzliche Meinungsänderung?«
Dan schnaufte. »Weil Tara Parker Trench gestern Nacht mit Verdacht auf eine Überdosis in die Intensivstation eingeliefert worden ist.«
Jo schnappte nach Luft.
Er stand auf und nahm etwas von ihrem Schreibtisch. »Wieso hast du Jeanies Klinikkarte hier?«, fragte er.
»Sie lag in ihrer Schreibtischschublade«, antwortete Jo. »Gib sie wieder her.« Sie wollte sie ihm abnehmen, aber er hielt sie außer Reichweite.
»Sie ist alt«, sagte Jo. »Ich wollte sie wegwerfen.«
»Warum hast du’s dann nicht getan?«
»Sieh dich doch mal um. Ich bin bisher noch nicht zu IKEA gekommen. Ich hab noch nicht mal einen Papierkorb. Kannst du mir jetzt bitte einfach sagen, was mit Tara passiert ist?«
Dan riss die Karte entzwei und steckte beide Hälften in seine Hosentasche. »Sie wurde bewusstlos in einem Hotelzimmer im Triton aufgefunden«, sagte er.
»Im Triton!«, rief Jo und schnippte mit den Fingern. Sie riss sich zusammen, als sie merkte, dass Dan sie finster ansah. »Was ist los?«
»Sexton war bei Tara, als sie sich zudopte«, sagte Dan.
»Das ist nicht dein Ernst. Wo ist er jetzt?«
»Wache Donnybrook. Sie haben ihn an Ort und Stelle festgenommen.«
36
Charles Fitzmaurice stieg in seinen Bentley und schaltete das Radio ein, als gerade das Signal für die Nachrichten um halb zehn ertönte. Es war nur ein kurzer Weg von seiner Villa in Clontarf zur Garage, aber aufgrund seines Gewichts keuchte er wie ein Sprinter nach einem Wettrennen. Außerdem hatte er einen Kater von den gut zehn Gläsern Whiskey, zwölf Jahre alter Jameson Gold Reserve, die er am Abend zuvor konsumiert hatte. Seine Vorliebe für gute Zigarren hatte zur Folge, dass seine Nebenhöhlen ihm zu schaffen machten und er sich wie fast jeden Morgen die Lunge aus dem Leib hustete, und zu allem Überfluss war er höllisch groggy, weil er sich nach den gestrigen Ereignissen die ganze Nacht im Bett herumgewälzt hatte. Das Einzige, was seine Laune jetzt bessern konnte, war die Nachricht, dass das Society-Girl und Model Tara Parker Trench tragisch ums Leben gekommen war. Deshalb lief das Radio.
Was sollte der zweiundsechzigjährige Fitz machen? Er hielt an der schwachen Hoffnung fest, dass sich dann alles von selbst regeln würde. Schließlich kippten nicht nur Rockstars, die sich bei ihren
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