Rachewahn: Thriller
herauszufinden, was geschehen war. Einige boten ihre Hilfe an, worum auch immer es gehen mochte. Doch Albert ignorierte sie allesamt. Er lief an ihnen vorbei in Richtung Badezimmer, das auf der anderen Seite der Eingangshalle lag. Allerdings konnte er nicht verhindern, dass ihm einige neugierige Gäste folgten.
„Sie haben den Schlüssel?“, wollte er schließlich von Valerie wissen, die vor der Tür stand und Wache hielt.
„Ja, wollen Sie hinein?“
„Selbstverständlich will ich hinein. Was denken Sie denn? Machen Sie schon auf.“
„Okay, aber ich muss Sie warnen. Es ist kein besonders schöner Anblick.“
„Ach, nein? Dabei habe ich mich schon in Feierlaune gebracht!“, fauchte Albert sie an. „Geben Sie mir den Schlüssel. Und dann verschwinden Sie von hier. Ich will Sie nicht mehr sehen.“
„Aber ich habe doch gar nichts gema…“
„Halten Sie den Mund und rücken Sie den Schlüssel raus!“
Valerie schnaufte. Sie griff in ihre Tasche und holte den Schlüssel hervor. Diesen gab sie Albert und trat dann einige Schritte beiseite.
Albert steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und wollte schon das Badezimmer betreten. Doch als er die gespannten Blicke der Gäste auf sich ruhen spürte, wirbelte er zur Seite und schrie: „Haut gefälligst alle ab! Hier gibt es nichts zu sehen! Geht nach draußen und trinkt den Sekt! Deswegen seid ihr doch nur gekommen, oder?!“
Die Gäste blieben unschlüssig stehen. Sie sahen zuerst Albert, dann einander an. Nach wenigen Augenblicken machten ein paar von ihnen kehrt. Einige blieben jedoch standhaft stehen.
„Was ist denn nur los?“
„Können wir nicht doch helfen?“
„Ist etwas Schlimmes passiert?“
Albert wollte die Leute erneut anbrüllen, doch dazu verspürte er keine Energie mehr. Stattdessen holte er tief Luft und öffnete schließlich das Badezimmer. Auf einen grässlichen Anblick vorbereitet, huschte er hinein und schloss die Tür von innen ab. Dann warf er einen ersten Blick auf seinen Sohn.
Mark lag bekleidet vor der Badewanne. Genau wie Stefanie befand er sich auf dem Rücken. Auch bei ihm konnte Albert einen Einstich in der Herzgegend sehen. Sehr viel Blut war aus diesem herausgeflossen und hatte sich auf den Fliesen zu einer Lache gesammelt.
„Mark. Mein Junge.“ Albert kniete sich vor den Leichnam und nahm Marks Gesicht in seine Hände. „Ich habe dich so lieb. Ich weiß, dass ich dir das zu selten gesagt habe. Aber du musst mir glauben. Ich habe dich unendlich lieb. Und ich bin so stolz auf dich.“
„Ist er dort alleine drin?“, hörte er zur selben Zeit Veronikas Stimme vor der Tür. Dann hämmerte seine Frau auch schon gegen das Holz. „Albert? Bist du hier? Mach die Tür auf! Was ist mit Mark?! Sag schon!“
„Ich dachte, du würdest im Büro bleiben, um dir den Anblick zu ersparen.“
„Ich muss wissen, was mit unserem Sohn ist! Also mach schon auf! Bitte! Ich flehe dich an!“
„Ich … ich kann nicht“, flüsterte er. „Ich … habe …“
Er richtete seinen Blick gerade auf das Waschbecken, als er die Türklingel vernahm. Sie schallte laut und deutlich durch das gesamte Haus.
Die Polizei! Endlich! Das wurde auch Zeit! Die werden mir bestimmt sagen, dass alles nur ein schlechter Traum ist. Aus diesem Albtraum werde ich jeden Moment wieder aufwachen. Ich weiß es. Ich hoffe es.
Ich muss es.
19
Samstag, 8. Juni 2013
Nora und Thomas standen hinter der Absperrung und starrten auf den Bus, der sich dreißig Meter vor ihnen befand und sich nicht vom Fleck rührte. Weitere dreißig Meter hinter diesem hatten ihre Kollegen eine zweite Absperrung errichtet. In der abgesperrten Zone wurde die Straße zu beiden Seiten von Gebäuden gesäumt. Wohnungen und Geschäfte reihten sich nahtlos aneinander. An den Straßenrändern standen in unregelmäßigen Abständen Autos geparkt. Mehrere Laternen, Mülleimer und Fahrradständer befanden sich auf den Bürgersteigen. Zum Glück waren aber keine Passanten mehr zu sehen. Diese hielten sich alle in gesicherten Bereichen hinter den Absperrungen auf und reckten die Köpfe. Sie mutmaßten aufgeregt, was in dem Bus vor sich gehen mochte.
„Hat diese Anna noch keine Forderungen gestellt?“, wollte Tommy von seiner Kollegin wissen. Dabei strich er sich über sein grünes Hemd, lockerte seine Finger und drehte mehrmals den Kopf herum, um seine Nackenmuskeln zu entspannen.
„Nein, sie hat lediglich die Anweisungen gegeben, die ich dir gerade erzählt habe. Aber ich
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