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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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Schrott.
Spielzeugknarren und Barbiepuppen und so Zeug. Eigentlich hätte ich ja nicht
spionieren dürfen. Soll man ja nicht, bevor Santa Claus den Kamin
runtergerutscht kommt, was? Aber ich konnt's ja nie abwarten. Weißt du, so
früher, am Weihnachtsmorgen, ne? Eltern schlafen noch und so 'n Scheiß und du
schleichst dich nach unten und reißt schon mal die Päckchen auf? Weißt, was ich
meine, oder, mein Hindu-Kumpel? Hast du doch auch gemacht als Kind, was? Hast
du, weiß ich! Aber dass du mir hier dies Jahr kein Kindergeschenk klaust. Du
kriegst dies Jahr keins, Kumpel. Werd mir mal Kuchen holen.« Er stolziert
davon.
    Als Menzies mit Horsd'ceuvres
zurückkommt, fragt Arthur: »Weiß Clint Bescheid?«
    »Worüber?«
    »Was passiert ist.«
    »Was meinst du? Das mit Pickle?
Bestimmt. Wieso?«
    »Ist nicht wichtig. Ich wollt's
nur wissen. Hast du Visantha gesehen?«
     
    Im Taxi nach Hause wissen
Arthur und seine Frau nicht, worüber sie reden sollen.
    Er kramt in der Tasche. »Ich
glaube, ich habe kein Kleingeld. Du?«
    Gleich nach Neujahr kehrt
Arthur in die Zeitung zurück. Er geht bei Kathleen vorbei, er will sich
zurückmelden, aber sie hängt am Telefon. Sie legt die Hand auf den Hörer und
formt mit den Lippen: »Ich komme nachher rüber.«
    Er setzt sich in sein Kabuff
im hintersten Winkel des Newsrooms und schaltet den Computer an. Während der
Rechner rumpelnd zum Leben erwacht, lässt er seinen Blick durch den Newsroom
schweifen, zur Wand mit den Chefbüros, über den hufeisenförmigen Produktionstisch
in der Mitte des Raums, den fleckigen weißen Teppichboden, der immer nach
abgestandenem Kaffee und angetrockneter Suppe aus der Mikrowelle riecht, dessen
Acrylecken sich immer hochrollen und an manchen Stellen mit silbernem
Klebeband fixiert worden sind. Ein paar der Redakteurskabuffs sind inzwischen
leer, die früheren Insassen längst pensioniert und nie ersetzt, nur ihre alten Post-its
flattern noch, sobald irgendwo ein Fenster aufgeht. Unter ihren verlassenen
Arbeitsplatten haben die Techniker kaputte Nadeldrucker und erloschene
Röhrenbildschirme verstaut, und eine ganze Newsroom-Ecke ist jetzt ein
Friedhof für verkrüppelte Bürorollstühle, die nach hinten wegkippen, wenn man
sich draufsetzt. Kein Mensch schmeißt hier irgendetwas weg; kein Mensch weiß,
wer dafür zuständig ist.
    Arthur nimmt seine alte
Routine wieder auf, das Zusammenbauen von Heute in der Geschichte, Hirnakrobatik, Rätsel-Brezel,
Einmal gut gelacht am Tag und Welt-Wetter . Er hört sich an, was Clint
ihm aufträgt, und fügt sich. Ansonsten redet er mit niemandem außer Menzies. Er
geht auch nicht mehr früher; er geht pünktlich.
    Irgendwann steht Kathleen an
seinem Platz. »Wir haben noch nicht mal einen Kaffee zusammen getrunken. Tut
mir leid - Dauer-Meetings. Mein ganzes Leben ist nur noch ein ewiges Meeting.
Ob Sie's glauben oder nicht, ich war mal Journalistin.«
    In diesem Ton plaudern sie,
bis Kathleen der Meinung ist, ihrem leidgeprüften Untergebenen genügend Zeit gewidmet
zu haben. Sie geht dann mal wieder, und im Idealfall werden beide die nächsten
Monate kein Wort mehr wechseln. »Ach, etwas noch«, setzt sie hinterher. »Ob Sie
mal mit Gerda Erzbergers Cousine telefonieren? Die hat hier schon tausendmal
angerufen. Nichts Wichtiges - sie meckert nur rum, dass Sie das Interview nicht
zu Ende gekriegt haben. Aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sie mir
vom Hals schaffen könnten.«
    »Eigentlich«, sagt Arthur,
»würde ich da gern noch mal hinfahren und es zu Ende bringen.«
    »Ich weiß nicht, ob wir uns
etatmäßig zwei Genf-Reisen für einen Nachruf leisten können. Kriegen Sie den
nicht vielleicht hier fertig?«
    »Wenn Sie mir einen Tag frei
geben, zahle ich die Reisekosten selber.«
    »Ist das ein Manöver, um einen
Tag von Clint wegzukommen? Sie sind doch erst eine Woche wieder da. Das soll
jetzt aber kein Vorwurf sein.«
    Diesmal fliegt Arthur nach
Genf und erfährt, dass Gerda Erzberger inzwischen in einem Hospiz in der Stadt
lebt. Sie hat jetzt gar keine Haare mehr, und die Haut ist gelb. Sie zieht die
Sauerstoffmaske ab. »Ich kriege kaum noch Luft, also schreiben Sie schnell
mit.«
    Er stellt den Rekorder auf den
Nachttisch.
    Sie schaltet ihn aus. »Offen
gesagt, ich weiß gar nicht, ob ich mit Ihnen reden will. Sie haben meine Zeit
verschwendet.«
    Er packt den Rekorder wieder
ein, nimmt seine Jacke und steht auf. »Wo gehen Sie denn hin?«
    »Sie hatten zugestimmt, dass
ich komme. Wenn Sie

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