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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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uns.«
    »Ich will hier nicht alles im
Stich lassen. Ist schon okay.«
    Hardy prüft das Riegelschloss
an der Tür und verzieht sich aufs Sofa, Decke über die Beine, Füße druntergekuschelt,
Tranchiermesser in Reichweite. Dann steht sie wieder auf und guckt noch einmal
nach dem Riegel. Als sie am Spiegel vorbeikommt, reißt sie die Hand vor Augen,
um sich nicht sehen zu müssen.
    Sie inspiziert das
Küchenfenster - Luft streicht unter der Pappe durch, mit der die zerbrochene
Scheibe provisorisch geflickt ist. Sie drückt dagegen. Die Pappe hält, aber
Sicherheit bietet sie kaum. Dann kuschelt sie sich wieder unter die Decke und
klappt ihr Buch auf. Nach achtzig Seiten - sie liest schnell - steht sie wieder
auf und stellt in der Küche Nachforschungen nach etwas Essbarem an. Sie
entschließt sich zu Reis-Chips und einer Dose Hühnerbrühe vom obersten
Regalbrett, das für ihre Größe aber zu hoch ist. Sie nimmt eine Schöpfkelle und
schubst die Dose damit Richtung Rand. Die Dose schlingert, kippt abwärts, und
Hardy fängt sie mit der freien Hand. »Ich bin ein Genie«, sagt sie.
     
    Tage vergehen, ohne dass die
Polizei das andere Opfer ausfindig macht, und das bedeutet, dass Hardy ihre Sachen
immer noch nicht abholen darf.
    »Am Anfang«, klagt sie
gegenüber Annika, »hab ich ja noch gedacht, der Typ ist so eine Art lieber,
harmloser englischer Mönch, mit seinen Spionageromanen und dem Katechismus und
dem Zeugs. Aber allmählich fange ich an, ihn zu hassen. Inzwischen habe ich
eher das Bild von irgend so 'nem perversen Priester, weißt du, so mit Bußgürtel
und Geifer, der sich in irgend 'ner päpstlichen Anstalt versteckt, um einem
Strafverfahren in den Staaten zu entgehen. Ich hab dummerweise die Boxershorts
von diesem Mann gesehen.«
    Fast zwei Wochen später haben
sie ihn endlich. Als Hardy wieder auf der Wache erscheint, wühlt er schon in
ihren Sachen herum. Sie schnauzt einen Polizisten an: »Dass Sie nicht auf mich
gewartet haben, ist wirklich ungeheuerlich.« Auf Italienisch. »Es ging doch
genau darum, dass er und ich das Zeug gemeinsam auseinandersortieren.«
    Der Beamte stiehlt sich davon,
das andere Opfer wendet sich fröhlich zu ihr um. Er ist also kein Priester,
sondern ein gut zwanzigjähriger Gammlertyp mit blonden Dreadlocks. »Buongiorno!«, sagt er und enthüllt mit einem
einzigen Wort, dass er Italienisch absolut nicht beherrscht.
    »Hätten Sie nicht auf mich
warten sollen?«, fragt sie auf Englisch.
    »Ach, Sie sind Amerikanerin!«
Sein Akzent ist irisch. »Ich liebe Amerika!«
    »Schönen Dank auch, aber ich
bin leider nicht der Botschafter. Also, wie machen wir es? Sollen wir als
Erstes die CDs durchgehen?«
    »Machen Sie mal. Für solche
Sachen braucht man eine Menge Geduld. Und eine Menge Geduld ist Rory fremd.«
    »Sie sind Rory?«
    »Ja.«
    »Sie sprechen von sich in der
dritten Person?«
    »Was für 'ne Person?«
    »Vergessen Sie's. Okay, ich
nehme mir jetzt meine Sachen.« Sie packt alles in eine Sporttasche, dann geht
sie die übrig gebliebenen Sachen noch einmal durch. »Halt - hier fehlt was von
meinen Sachen.« Auf dem Tisch liegen jetzt nur noch sein Schlips, seine Bücher,
CDs und Boxershorts.
    »Was fehlt denn?«
    »Nur etwas Privates. Zu blöd«,
sagt sie. »Das ist überhaupt nichts wert - hat nur sentimentale Bedeutung. Ein
Zauberwürfel, wenn Sie's unbedingt wissen wollen. War ein Geschenk. Na, egal.«
Sie seufzt. »Melden Sie das Ihrer Versicherung?«
    »Hatte ich nicht vor, ehrlich
gesagt.« Er geht zur Tür, steckt den Kopf hinaus und sieht den Flur hinunter.
Er kommt zurück und flüstert ihr zu: »Ich bin in meiner Wohnung nicht richtig
gemeldet. Das ist ein Gewerberaum, wenn man's ganz streng sieht. Ich darf da
arbeiten, aber wohnen darf ich da nicht.«
    »Was arbeiten Sie denn?«
    »Ich unterrichte.«
    »Und was?«
    »Kleiner Albtraum, die Sache
mit den Bullen und dass ich da offiziell, also formal korrekt, gar nicht wohne.
Ich hatte auch erst überlegt, ich hol meine Sachen hier gar nicht ab. Aber ich
brauch die hier.« Er legt grinsend die Hand auf den Stapel mit den Boxershorts.
    »Na schön, aber meine
Versicherung hat nichts damit zu tun, dass Sie Gewerberaum bewohnen.«
    »Die fangen aber vielleicht an
rumzuschnüffeln, glauben Sie nicht auch?«
    »Sorry - was war's noch, was Sie unterrichten?«
    »Improvisation«, sagt er. »Und Jonglieren.«
    »Hoffentlich nicht gleichzeitig.«
    »Bitte?«
    »Egal. Wo aus Irland sind Sie
denn her? Zufällig County Cork?

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