Rachmann, Tom
der
>National-Geographic-Atlas<, >The World Almanac and Book of Facts<,
Spezial-Lexika wie >The Food Snob's Dictionary<, >The Oxford
Dictionary of Popes<, Technical Manual and Dictionary of Classical
Ballet<, >Visual Dictionary of the Horse<, das >Complete Book of Soups
and Stews<, >Cassell's Lateinisches Wörterbuch<, das
>Standardwörterbuch Albanisch-Englisch/Englisch-Albanisch< und das
>Handwörterbuch Alt-Isländisch<.
Er entdeckt eine Lücke im
Regal und durchsucht die vom Fußboden hochragenden Buchwolkenkratzer nach dem
Band, der da fehlt. Er macht ihn ausfindig (das >Lexikon der Vögel, Band IV<,
Seidenschnabel - Zygodactyly, stellt ihn zurück an seinen Platz, zieht den
Hosenbund hoch, postiert sich exakt vor den Bürostuhl und platziert seinen
Hintern, womit ein weiteres voluminöses Lexikon wieder an seinen angestammten
Heimatort zurückgekehrt ist. Dann zieht er sich die Tastatur vor den
birnenförmigen Leib und tippt mit einem herablassenden Blick auf den Bildschirm
einen neuen Eintrag für >Die Bibel<:
GWOT: Kein Mensch weiß, was das sein
soll, am allerwenigsten diejenigen, die dieses Kürzel benutzen. Ausgeschrieben
steht GWOT für Global War on Terror. Nun ist aber ein Konflikt mit etwas
Abstraktem, höflich formuliert, schwer auszutragen, folglich sollte der ganze
Begriff unter Marketing-Kauderwelsch fallen. Unsere Reporter sind vernarrt in
derlei Humbug; ein Textredakteur hat die Pflicht, ihn wieder rauszuschmeißen.
Vgl. OBL; Akronyme; und Dummschwätzer.
Er haut auf »Speichern«.
Eintrag Nr. 18 238. Früher gab es >Die Bibel< - wie er selbst den
hauseigenen Stilführer getauft hat - gedruckt und gebunden, da stand an jedem
Arbeitsplatz im Newsroom ein Exemplar. Heute existiert sie nur noch im internen
Computernetz, nicht zuletzt, weil der Text in etwa auf das Format des Großraums
Liechtenstein angeschwollen ist. Ihr Zweck ist die Festschreibung von Regeln:
Hermans Bibel teilt verbindlich mit, dass eine korrekte »Feuerpause« keine
»Feuer-Pause« ist, schreibt Redakteuren und Korrektoren vor, wann es »der/die/
das« und wann »diese/dieser/dieses« heißen muss, und klärt Streitereien über
Präpositionen, falsche Possessivpronomina oder in der Luft hängende Attribute
- und am Redakteurstisch sind die Fäuste schon aus geringeren Anlässen
geflogen.
Kathleen pocht an die Tür.
»Freude, schöner Götterfunken«, seufzt sie matt.
»Was für Freude?«
»Die Freude, mit knapp fünf
Prozent der Mittel, die ich eigentlich brauche, immer wieder ein Blatt
hinzukriegen, mit dem ich mich nicht blamiere.«
»Ah ja«, sagt Herman, »die
Freude des Blattmachens.«
»Und du? Wessen Selbstwertgefühl
demontierst du heute?«
Herman knetet seine Finger,
dann schiebt er eine Hand in die Hosentasche. Sie ist ausgebeult, als wäre sie
voll Kieselsteine. Er stößt auf einen Klumpen zusammengepappter klebriger
Bonbons. »Es wird dich umhauen«, verkündet er und schiebt sich ein paar Bonbons
in den Mund, »das neue Warum ? ist fertig.« Er meint den
internen Newsletter, in dem er allmonatlich seine persönlichen
Lieblingspfuschereien aus dem Blatt kredenzt. Es versteht sich von selbst, dass
die Redaktion nicht in Begeisterungsstürme ausbricht, wenn ein neues Warum ? erscheint.
Kathleen seufzt.
»Meine Pflicht, leider nötig«,
fährt er fort. »Aber, meine Liebe, was kann ich für dich tun?«
Kathleen kommt oft einfach
vorbei, wenn sie Rat braucht. Eigentlich ist Craig Menzies ihr Vize, aber Rat
holt sie sich von Herman. Er ist seit über dreißig Jahren bei der Zeitung, war
in fast jeder Blattmacherfunktion (aber nie Reporter) und in den Interimsphasen
1994,2000 und 2004 sogar de facto Chefredakteur. Beim Gedanken an die Zeiten
unter seiner Ägide schaudert es heute noch alle in der Redaktion. Aber trotz
seiner polterigen Art ist Herman nicht unbeliebt. Sein sicheres Urteil in
Nachrichtendingen wird allgemein beneidet, sein Gedächtnis gilt als
unerschöpflicher Fundus, und jedem, der lange genug dabeibleibt, zeigt er auch
seine freundliche Seite.
»Was hältst du von meinem
Putsch im Kulturressort?«, fragt Kathleen.
»Du hast endlich Clint Oakley
erfolgreich entthront.«
»Bin selber sehr stolz drauf«,
sagt sie. »Du hattest völlig recht: Arthur Gopal darf man nicht einfach
abschreiben. An der Auslandsfront sieht's allerdings weiter düster aus. Wir
haben noch immer keinen Lokalreporter in Kairo. Paris ist auch weiter komplett
unbemannt.«
»Wie kann denn Miss
Buchhaltung einen
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