Rachsucht
sechshundertfünfzig Kilometer von zu Hause entfernt und hatte keine Ahnung, wie ich diese Strecke zurückgelegt hatte. Außerdem hatte ich einen furchtbaren Kater, obwohl ich mich gar nicht betrunken hatte. Mein Gesicht im Spiegel sah aus, als hätte ich den Kampf mit einem psychopathischen Friseur verloren. Ich trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Von null auf geil in drei Sekunden«.
Als ich ins Zimmer zurückschlurfte, entdeckte ich mein rotes Kleid zusammengefaltet über einem Stuhl. Meine Schuhe standen darunter, die Handtasche lag auf der Sitzfläche. Beunruhigt kontrollierte ich den Inhalt, aber meine Brieftasche war unberührt.
Als Erstes musste ich hier weg. Hoffentlich gelang es mir, das T-Shirt abzustreifen, ohne mir den Kopf abzureißen.
Das Klicken des Türschlosses ließ mich zu Eis gefrieren. Jakarta Rivera kam mit einem Pappkarton mit Kaffee, Saft und Bagels hereinspaziert.
»Was hast du mit mir gemacht?«, fragte ich. Über das förmliche Sie waren wir definitiv hinaus.
Jax war offenbar der gleichen Meinung. Sie streckte mir einen Orangensaft entgegen. »Trink das. Du brauchst Flüssigkeit.«
»Ich fasse das nicht an. Du hast mich unter Drogen gesetzt.«
»Das war ich nicht.«
Ich griff nach meinem Kleid und steuerte das Bad an, um mich umzuziehen. Jax hielt mich auf und drückte mir eine Dose Aspirin in die Hand.
»Brandneu. Du kannst das Sicherheitssiegel überprüfen, es ist unberührt«, sagte sie. »Und in dieses Kleid würde ich nicht wieder schlüpfen.«
Ich hob es hoch und entdeckte einen fettigen Salsa-Fleck.
»Taco Bell in Barstow, halb drei heute Morgen«, sagte sie. »Du wolltest unbedingt rein.«
Ich warf das Kleid aufs Bett und verschwand im Bad, um das Aspirin zu schlucken. »Hältst du mich hier gefangen?«
»Schätzchen, ich tu gar nichts. Ich bin nur Mitfahrerin, genau wie du.«
»Kannst du dich denn an gar nichts erinnern?«, fragte sie, als ich aus dem Bad trat. Offenbar war mir meine Verwirrung anzusehen.
»Erzähl’s mir.« Ich ließ mich auf das zerwühlte Bett plumpsen. »Ich hoffe nur, ich war nicht auf einer Orgie mit Videokamera.«
»Harley wollte einen Ausflug machen, und wir sind mitgefahren.« Jax riss den Deckel von einem der Kaffeebecher und trank.
»Wir sind ganz spontan mitten in der Nacht nach Vegas aufgebrochen?«, erkundigte ich mich.
»Ist das denn untypisch für Harley?«
»Nein. Überhaupt nicht. Sie ist durch und durch impulsiv. Nach einem Streit mit ihrer Geliebten ist das ein typisches Ablenkungsmanöver.« Ich starrte aus dem Fenster. Das Licht war unerträglich grell. »Oh Gott, ich kann mein Haar wachsen hören.«
Ich stand auf, nahm Jax den Kaffee aus der Hand und trank einen Schluck.
Sie warf mir einen wissenden Blick zu. »Schlaues Mädchen. Trau keinem.«
Der Kaffee war heiß und stark. »In welchem Hotel sind wir?«
»Im Luxor.«
»Jemand hat mir was in den Wein getan«, sagte ich.
»Das vermute ich auch. Vermutlich Rohypnol.«
Mein Kopf dröhnte immer noch. »K.o.-Pillen?«
»Ja. Jemand wollte dich außer Gefecht setzen.«
Das musste mit I-Heist und dem Ultimatum zu tun haben, das wir überschritten hatten. Vor meinen Augen flimmerte es.
»Jax, ich bin nicht in der Stimmung für Spielchen. Warst du das?«
Sie griff nach dem anderen Kaffee. »Du solltest allmählich gemerkt haben, dass ich dir nichts Böses will. Ich passe auf dich auf.«
»Warum?«
»Weil du gestern Nacht nicht dazu in der Lage warst.«
»Danke, aber das reicht mir nicht.«
»Damit wirst du leben müssen.«
»War das die Gefahr, vor der du mich warnen wolltest?«
»Nein, damit hatte ich nicht gerechnet.«
Ich trank von meinem Kaffee und überlegte. »Wo ist Harley?«
»Im Casino.« Sie wanderte zum Fenster und starrte in die Gluthitze hinaus. »Das Zimmer ist kostenlos. Harley ist hier bekannt.«
»Sie hat Beziehungen. Ihr Vater war ein …«
»Spieler. Das hat sie mir erzählt.«
Draußen über dem Asphalt flirrte die heiße Luft.
»Harley läuft vor irgendwas davon«, stellte Jax fest. »Und zwar nicht vor einer unglücklichen Liebesgeschichte.«
»Hat sie dir das erzählt?«
»Du weißt, was ich meine. Du willst es dir nur nicht eingestehen.«
Im Licht wirkte ihr Gesicht hart und um die Augen herum sehr müde. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend, und für einen Augenblick dachte ich, mir würde wieder schlecht.
»Du glaubst, sie ist in die Affäre um Franklin Brand verwickelt«, sagte ich.
»Natürlich ist sie
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