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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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in das Heer der gewöhnlichen Arbeitnehmer einzureihen. Vorher räumte sie aber noch ihr Quartier und zog nach Süddeutschland, wofür ich volles Verständnis hatte. Leider verschwand damit aber auch unser letztes Gesprächsthema.
    »Papi, wie geht eine Uhr?«
    Zum Geburtstag hatte Sven seine erste Armbanduhr bekommen. Anderthalb Tage lang wurde ich viertelstündlich unterrichtet, wie spät es gerade war, aber dann versiegten seine Zeitangaben ganz plötzlich. Anscheinend interessierte ihn jetzt das Innenleben des Chronometers.
    Normalerweise hätte Rolf seinem Filius geantwortet, er solle seine Mutter fragen, aber er hatte gerade mal wieder ein neuerschienenes und angeblich sehr nützliches Werk über Kinderpsychologie gelesen (nützlich für wen?), in dem dringend empfohlen wurde, die Wißbegier des Kindes zu ermutigen. Also holte er Papier und Bleistift und malte eine Skizze vom Hemmungsmechanismus, zeichnete sorgfältig Uhrfeder, Rädchen und Unruhe ein, erklärte langatmig ihre verschiedenen Funktionen, und zwischendurch versuchte er immer wieder, seinen gelangweilten Sohn an der Flucht zu hindern. Das Dumme an der Kinderpsychologie ist ja, daß Kinder nichts davon verstehen.
    Endlich war Rolf fertig. »Siehst du, Sven, das ist es, weshalb deine Uhr geht!«
    »Wie kommt es dann aber, daß sie nicht geht?«
    Ich deckte gerade den Abendbrottisch und sagte beiläufig: »Vielleicht mußt du sie mal aufziehen!«
    Sven zog die Uhr auf und hielt sie erwartungsvoll ans Ohr. Dann verkündete er seinem Vater strahlend: »Mami hat viel mehr Ahnung als du!«
    »Setz dich hin und iß, bevor ich dich verhaue!« sagte zähneknirschend der Psychologe.
    Nun ist es ja mit der Technik überhaupt so eine Sache für sich. Wenn die Sicherheitsnadel erst heute erfunden worden wäre, hätte sie vermutlich sechs bewegliche Teile und zwei Transistoren und müßte zweimal im Jahr nachgesehen werden. Genaugenommen lassen sich leblose Gegenstände in drei Hauptkategorien einteilen: Solche, die kaputtgehen, solche, die verlorengehen, und solche, die überhaupt nicht gehen. Als einfache Faustregel für die erste Kategorie gilt, daß ein Gegenstand immer dann kaputtgeht, wenn er am dringendsten gebraucht wird. Ein typisches Beispiel dafür ist das Auto, und als wahre Glückseligkeit empfinde ich die Entdeckung, daß das entnervende Klappergeräusch dann doch bloß aus dem Handschuhfach kommt. Autos geben niemals ihren Geist auf, wenn man gerade an einer Tankstelle hält; sie warten damit, bis man eine belebte Kreuzung erreicht hat oder sich zu nächtlicher Stunde auf einer gottverlassenen Landstraße befindet. Auf diese Weise verursachen sie ein Höchstmaß an Unbequemlichkeit und Ärger und verkürzen so die Lebenszeit ihrer Besitzer.
    Wir waren endlich mal wieder im Theater gewesen. Schon tagelang hatte ich Rolf gequält, Karten für das neue Stück von Tennessee Williams zu besorgen, von dem alle Leute (oder um es präziser auszudrücken: Frau Heinze und die Damen Ruhland) sprachen. Gefallen hatte es mir dann aber doch nicht. Beim Hinausgehen sagte ich enttäuscht zu Rolf: »Wenn ich deprimiert sein wollte, hätte ich auch zu Hause bleiben und Wäsche bügeln können!«
    »Aber du warst es doch, die unbedingt hingehen wollte!«
    »Na ja,
einen
Nutzen habe ich ja auch daraus gezogen. In der Pause habe ich nämlich festgestellt, daß mein Kleid inzwischen völlig unmodern geworden ist. Für festliche Gelegenheiten brauche ich unbedingt ein neues!«
    »Aber du hast doch schon einen ganzen Schrank voll nichts anzuziehen!«
    »Das stimmt ja auch! Die meisten Sachen sind ganz aus der Mode.«
    »Quatsch!« sagte mein Gatte und deutete auf seine silbergraue Krawatte, die für den derzeitigen Modetrend viel zu schmal war. »Soll ich die vielleicht wegwerfen? Ich hab’ sie mir extra zu unserer Hochzeit gekauft und höchstens ein halbes dutzendmal getragen. Die ist ja noch wie neu!« Er schob mich ins Auto. »Mode ist nichts weiter als jener seltsame Vorgang, bei dem allen plötzlich etwas gefällt, was ihnen gestern noch nicht gefallen hat und was ihnen morgen schon wieder nicht mehr gefallen wird. Und wenn dieses ewige Auf und Ab von Rocksäumen und Dekolletes so weitergeht, werden Saum und Ausschnitt über kurz oder lang zusammenstoßen!«
    Bevor ich protestieren konnte, meinte er versöhnlich: »Im übrigen siehst du großartig aus, und deshalb werden wir jetzt noch irgendwo eine Kleinigkeit essen gehen und uns anschließend in das Düsseldorfer

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