Radau im Reihenhaus
guter Letzt noch Benzin und Öl überprüft hatte. »Was machen wir denn jetzt?«
»Warten, bis jemand vorbeikommt«, sagte ich schläfrig.
»Es ist kurz vor Mitternacht, und wir befinden uns auf einer Landstraße dritter Ordnung, die überwiegend von Treckern und Kühen benutzt wird.«
»Dann warten wir eben auf eine Kuh, die kann uns nach Hause ziehen!« Mühsam rappelte ich mich hoch. »In einschlägigen Romanen kämpft sich in solchen Situationen der Held durch Eis und Schnee oder dichte Nebelbänke, um irgendwo Hilfe zu holen. Du brauchst ja gar nicht zu kämpfen. Der Mond scheint, und weniger als fünf Grad unter Null haben wir bestimmt nicht.«
»Willst du denn nicht mitkommen?«
Das wollte ich nun überhaupt nicht. In lebhaften Farben malte Rolf meinen vermutlichen Kältetod aus und vergaß auch nicht, die anderen Möglichkeiten zu erwähnen. »Immerhin könnte es ja sein, daß
doch
jemand vorbeikommt, und wenn du hier so mutterseelenallein…«
Gerade, als ich mich entschlossen hatte, meinen Gatten auf seiner Nachtwanderung zu begleiten, hörten wir Motorengeräusch, und dann kam auch schon ein Sportflitzer herangeschossen. In letzter Sekunde konnte Rolf zur Seite springen, sonst hätte er sein Leben als Kühlerfigur ausgehaucht.
Bremsen quietschten, der Wagen schleuderte, fing sich aber wieder und kam zum Stehen. Ihm entstieg eine atemberaubende Schönheit in hellgrauem Nappaleder. »Sind Sie lebensmüde oder nur betrunken? Beinahe hätte ich Sie überfahren!«
»Ist das aber eine gut aussehende Kuh!« staunte ich. »Ich möchte zu gern wissen, ob sie den Hosenanzug passend zum Wagen gekauft hat oder umgekehrt.«
»Was haben Sie gesagt?«
Rolf beeilte sich, das Mißverständnis mit dem Rindvieh aufzuklären. Das dauerte unnötig lange. »Natürlich werde ich mich in jeder Weise erkenntlich zeigen, wenn Sie uns irgendwie weiterhelfen«, versprach er schließlich und versprühte eine ungebremste Ladung Charme.
Die Schönheit zögerte. »Ich könnte Sie bis zum nächsten Ort mitnehmen.«
Rolf war sofort einverstanden.
»Und was wird mit mir?« protestierte ich.
»In spätestens einer halben Stunde bin ich zurück!« sicherte mein Gatte zu und machte Anstalten, in das dunkelgrüne Kabrio zu steigen. Keine Rede mehr von Frostbeulen und eventuellem Sittlichkeitsdelikt. »Ich bleibe auf keinen Fall allein!« sagte ich. »Lieber laufe ich nach Hause!«
»Aber das sind ungefähr noch zwölf Kilometer.«
»Mir egal! Bis Sven zur Schule muß, werde ich wohl da sein!«
Zögernd kam Rolf zurück. »Du weißt nie, was du willst!« schimpfte er ärgerlich.
Doch, das wußte ich genau! Ihn auf keinen Fall mit dieser attraktiven Frau allein lassen! »Könnten Sie uns nicht abschleppen?«
»Ich habe kein Seil!« beteuerte sie sofort.
»Irgendwo habe ich mal gelesen, daß Strumpfhosen denselben Zweck erfüllen«, sagte ich, obwohl ich diese Behauptung immer angezweifelt hatte. Ich zog mir gerade den zweiten Schuh aus, als sich Rolf daran erinnerte, daß er ja selbst ein Abschleppseil im Kofferraum liegen hatte. Mit ausgesprochener Freude registrierte ich, daß er sich selten dämlich anstellte und auch gar nicht mehr so weltmännischüberlegen aussah, nachdem er das Seil endlich befestigt hatte. Schöner war er durch den beschmutzten Anzug und die Ölspuren an Gesicht und Händen auch nicht geworden.
Die Dame hatte das wohl ebenfalls bemerkt. Ungnädig trieb sie ihn zur Eile an, und sehr ungnädig klemmte sich Rolf hinter das Lenkrad. Seinen Vorschlag, ich könnte doch das Steuer übernehmen, während er unserer Samariterin lieber hilfreich zur Seite stehen würde, lehnte ich glatt ab. »Im Schlepptau fahren kann ich nicht! Da brumme ich euch höchstens hinten rein.«
Endlich siegte der sparsame Ehemann über den Don Juan. Der Abend war auch so schon teuer genug gewesen.
Vor einer Gastwirtschaft im fünf Kilometer entfernten Bornfeld stoppte unser Vordermann. Drinnen brannte noch Licht. Vor lauter Eifer, möglichst schnell aus dem Wagen zu springen, fuhr Rolf zu dicht auf und prallte an die Stoßstange.
»Das ist allein meine Schuld!« beteuerte er sofort. »Ich übernehme alle Kosten! Wenn Sie mir vielleicht Ihre Adresse geben…«
»Nicht nötig«, sagte die Dame mit einem beziehungsreichen Lächeln. »Mein Mann hat eine Reparaturwerkstätte, und das hier ist ein Vorführwagen. Aber wenn Sie in Kürze vielleicht ein neues Auto brauchen« – dabei musterte sie unseren schon leicht angerosteten
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